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Deutschland - Eine Frage der wechselnden Begrifflichkeiten ermöglicht den EU-Betrug - Teil 1

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100 Jahre Destabilisierung und Indoktrination, bis zu dem Zustand, daß die heutige Generation fast jeden Bezug zum eigenen Land verloren hat und den Rattenfängern mit bunten Parolen sozialistischer Traumwelten hinterherläuft. Einer wahnsinnigen EU-Politik die auf Lug- und Betrug der Bevölkerung aufgebaut ist.

Selbstverständlich steht alles geschrieben und kann recherchiert werden. Es ist nur nicht in unserem Schulbildungssystem aus vorgesehen, dazu zu Unterrichten oder es mitzuteilen, daß die Verlautbarungen der Politiker, jeweils durch Rechtskundige zu überprüfen sind die nicht im Dienste  oder einer abhängigen Institution des politischen Systems stehen.

Wer heute von „Deutschland“ spricht, hat jeweils eine individuelle Vision was denn überhaupt „Deutschland“ zu sein mag. Diese Vielzahl an differenzierten Meinungen zu einem und demselben Rechtssubjekt führt unweigerlich zu Mißverständnissen. Das ist ein für die Lenkung der Massen bewußt herbeigeführter Zustand.

Wer Verstehen möchte, auf welcher Grundlage die Politiker ihr soziopathisches Handeln betreiben können, muß zwingend die korrekten Begrifflichkeiten kennen und erkennen können, welcher Zustand eigentlich gemeint ist.

Denn „Deutschland“ ist nicht gleich „Deutschland“.


Grundsätzlich gilt es die Begrifflichkeiten zu kennen und sich jene zu Gemüte führen. So gibt es den Begriff : "Deutschland"

Dieser Begriff ist schon neben dem Deutschen Reich 1871-1918 im Sachregister jener Reichsgesetzbücher als auch in Reichsgesetzen zu finden. So z.Bsp: auch in der Verfassung 1871 unter Art 3:                                                          

Artikel 3 [1] Für ganz Deutschland besteht einen gemeinsames Indigenat.....

Jenes Rechtssubjekt hatte seinen letzten Gebietsstand vor den Auswirkungen des Versailler Vertrages 1919, dieser Zustand wird jur. Bezeichnet als „Deutschland als Ganzes“.

Durch die politischen Ereignisse kam es auf Grund des Kriegsverlaufes durch vier Kriegsgegnern = Frankreich, Rußland, England und die USA zu einer zeitweisen Besatzung des Deutschen Reiches 1871-1918. Besetzt wurde vor allem das Rheinland:

„Bei der Be­sat­zungs­zeit (1918-1930) han­delt es sich um ei­nen re­gel­rech­ten Kom­plex von The­men. 

„Das am 11.11.1918 zwi­schen den Kon­flikt­par­tei­en ge­schlos­se­ne Waf­fen­still­stands­ab­kom­men von Com­pièg­ne sah vor, daß das links­rhei­ni­sche Reichs­ge­biet in­klu­si­ve ei­nes zehn Ki­lo­me­ter brei­ten Ge­biets­strei­fens auf dem rech­ten Rhein­ufer durch das deut­sche Mi­li­tär ge­räumt und an­schlie­ßend ent­mi­li­ta­ri­siert wer­den soll­te. Zu­dem soll­ten das links­rhei­ni­sche deut­sche Ter­ri­to­ri­um durch die Entente Mächte be­setzt so­wie aus­ge­dehn­te Brü­cken­köp­fe mit ei­nem Ra­di­us von 30 Ki­lo­me­tern ge­gen­über den Städ­ten KölnKo­blenz und Mainz ein­ge­rich­tet wer­den. Ab ­De­zem­ber 1918 rück­ten die Be­sat­zungs­trup­pen in die grö­ße­ren Städ­te des zu be­set­zen­den west­deut­schen Ge­bie­tes ein. So wur­de Trier zu­nächst von ame­ri­ka­ni­schen und Aa­chen von fran­zö­si­schen Trup­pen be­setzt.3  Am 12. De­zem­ber rück­ten ame­ri­ka­ni­sche Ein­hei­ten in Ko­blenz und in­ das rechts­rhei­ni­sche Eh­ren­breit­stein ein. Zu­nächst be­ruh­te die Be­set­zung auf dem Kriegs­recht.

Am 13.12.1918 kon­sti­tu­ier­te sich die In­te­r­al­li­ier­te Wirt­schafts­kom­mis­si­on, die für die Dis­tri­bu­ti­on von Roh­stof­fen an die Fa­bri­ken im be­setz­ten Ge­biet zu­stän­dig war. Eben­so ob­lag ihr die Auf­sicht über wirt­schaft­li­che Ak­ti­vi­tä­ten. Der Obers­te Wirt­schafts­rat der Al­li­ier­ten Be­sat­zungs­mäch­te in Deutsch­land ver­füg­te am 21.4.1919 in Pa­ris die Ein­rich­tung ei­ner „In­te­r­al­li­ier­ten Rhein­land­kom­mis­si­on“, be­ste­hend aus De­le­gier­ten der vier Be­sat­zungs­mäch­te Bel­gi­en, Frank­reich, Groß­bri­tan­ni­en und USA. Ihr ob­lag die Ge­währ­leis­tung ei­ner ein­heit­li­chen Ver­wal­tung des be­setz­ten Ge­bie­tes in sämt­li­chen Versorgung- und Wirt­schafts­fra­gen. Mit­te Mai 1919 zog die Kom­mis­si­on in Ko­blenz ein, wo sie zu­nächst im Ge­richts­ge­bäu­de re­si­dier­te, be­vor sie in das Ge­bäu­de des Ober­prä­si­di­ums um­zog.

Bei den auf ver­schie­de­nen Ebe­nen aus­ge­tra­ge­nen Kon­flik­ten der Be­sat­zungs­zeit han­del­te es sich nicht nur um ei­nen „Streit zwi­schen Frank­reich und Preu­ßen“ (Jür­gen Wil­helm), son­dern auch – wenn nicht so­gar vor al­lem – um ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Frank­reich und dem Deut­schen Reich, das im No­vem­ber 1918 die Staats­form ei­ner Re­pu­blik an­ge­nom­men hat­te. Dar­über hin­aus war nicht nur Preu­ßen von der Be­sat­zung be­trof­fen, son­dern auch an­de­re Ge­bie­te wie et­wa die baye­ri­sche Pfalz, Bir­ken­feld o­der – im Os­ten – Ober­schle­si­en und das Me­mel­land.

Zu­nächst sym­bo­li­sier­te die Be­set­zung für die Be­völ­ke­rung der be­trof­fe­nen Ge­bie­te nicht den „Schand­ver­tra­g“ von Ver­sailles, son­dern die mi­li­tä­ri­sche Nie­der­la­ge des Kai­ser­rei­ches. Um­ge­kehrt sym­bo­li­sier­te sie für Frank­reich den Sieg über den „preu­ßisch-deut­schen“ Nach­barn und ver­stärk­te bei den von West nach Ost vor­rü­cken­den Be­sat­zungs­trup­pen die wäh­rend der vier Kriegs­jah­re ent­stan­de­nen Emo­tio­nen. Ein­drück­lich schil­dert Ni­co­las Beau­pré die vi­su­el­len Ein­drü­cke, die ih­re Spu­ren in den Köp­fen der Sol­da­ten hin­ter­lie­ßen: „Der Ein­zug in die völ­lig zer­stör­ten Zo­nen an und hin­ter der Front, dann in die von der Be­sat­zung ,be­frei­ten' Re­gio­nen und in die zu­rück­er­hal­te­nen De­par­te­ments von Elsaß-Lothringen und schlie­ß­lich, für ei­ni­ge, nach Deutsch­land selbst, funk­tio­niert wie ei­ne Ab­fol­ge von Be­stär­kun­gen des im Krieg ent­stan­de­nen Bil­des vom An­de­ren. Der Kon­takt mit ,dem An­de­ren’, sei er von den auf dem [fran­zö­si­schen] Ter­ri­to­ri­um hin­ter­las­se­nen Spu­ren und Stig­ma­ta mit­tel­bar oder anläßlich der Be­sat­zung Deutsch­lands di­rekt er­folgt, schloß für die gro­ße Mehr­heit der Sol­da­ten jeg­li­che Fra­ter­ni­sie­rung und selbst Mit­ge­fühl für die auch von den Deut­schen er­lit­te­nen Lei­den aus“.[4]  Auch die ame­ri­ka­ni­schen Be­sat­zungs­trup­pen hat­ten ein Fra­ter­ni­sie­rungs­ver­bot zu be­ach­ten, das al­ler­dings En­de Sep­tem­ber 1919 auf­ge­ho­ben wur­de.

2. Die Besetzung auf Grundlage der Bestimmungen des Versailler Vertrages

Das mit dem Ver­sailler Frie­dens­ver­trag ver­bun­de­ne Rhein­land­ab­kom­men vom 28.6.1919 stell­te die Rhein­land­be­set­zung auf ei­ne völ­ker­recht­li­che Grund­la­ge. Bei­de Ver­trags­wer­ke tra­ten am 10.1.1920 in Kraft. Das Rhein­land­ab­kom­men sah für das be­setz­te Ge­biet so­wohl un­ter­schied­li­che Be­sat­zungs­fris­ten als auch ver­schie­de­ne Be­sat­zungs­zo­nen vor. Die Fran­zo­sen rück­ten in die Pfalz und die süd­li­che Rhein­pro­vinz, nach Mainz und Wies­ba­den vor. Die Ame­ri­ka­ner be­setz­ten Ko­blenz und Um­land,[5]  die Bel­gi­er den links­rhei­ni­schen Nor­den der Rhein­pro­vinz von Aa­chen ­bis zum Rhein, wäh­rend sich die Bri­ten auf die „Köl­ner In­sel“ kon­zen­trier­ten. Zu­nächst war ei­ne Be­sat­zungs­zeit von 15 Jah­ren vor­ge­se­hen, ge­rech­net vom 10.1.1920 an, wo­bei die Räu­mung etap­pen­wei­se er­fol­gen soll­te. Vor­aus­set­zung für ei­ne Räu­mung des be­setz­ten Ge­bie­tes war al­ler­dings die Er­fül­lung sämt­li­cher Ver­trags­be­stim­mun­gen. Die ent­mi­li­ta­ri­sier­te Zo­ne rechts des Rhei­nes er­fuhr mit In­kraft­tre­ten des Ver­tra­ges ei­ne Aus­deh­nung auf 50 Ki­lo­me­ter. Höchs­te Zi­vil­in­stanz war die In­te­r­al­li­ier­te Rhein­land­kom­mis­si­on (Hau­te Com­mis­si­on In­te­r­al­liée des Ter­ri­toires Rhén­ans, ab­ge­kürzt H.C.I.T.R.) un­ter Vor­sitz des fran­zö­si­schen Ho­hen Kom­mis­sar­s Paul Ti­rard.[6]  Die­ser mach­te von sei­nen Kom­pe­ten­zen gro­ßzü­gi­g ­Ge­brauch. Der Auf­sicht der In­te­r­al­li­ier­ten Rhein­land­kom­mis­si­on (ab­ge­kürzt „Ir­ko“), die im All­tags­sprach­ge­brauch häu­fig ein­fach „Rhein­land­kom­mis­si­on“ ge­nannt wur­de, war auch die deut­sche Ver­wal­tung im be­setz­ten Ge­biet un­ter­stellt. Ih­re Kon­trol­le nahm sie in Form ei­nes Sys­tems von Be­zirks- und Kreis­de­le­gier­ten wahr, die den je­wei­li­gen deut­schen Ver­wal­tungs­stel­len vor Ort an die Sei­te ge­stellt wur­den.[7]  In der fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­zo­ne wur­den fol­gen­de Be­zir­ke ein­ge­rich­tet: Bonn, Kreuz­nach, Mainz, Spey­er, Trier und Wies­ba­den.

Die Rhein­land­kom­mis­si­on be­saß ei­ge­ne, al­ler­dings nicht klar ab­ge­grenz­te le­gis­la­ti­ve Kom­pe­ten­zen, die dem Schutz und dem Wohl­er­ge­hen der Be­sat­zungs­trup­pen die­nen soll­ten. Sie war be­rech­tigt, die Ge­set­ze des Rei­ches zu ap­pro­bie­ren. Glei­ches galt für Er­las­se obers­ter Reichs- und Lan­des­be­hör­den. So­mit konn­te die Rhein­land­kom­mis­si­on de fac­to als obers­te öf­fent­li­che Au­to­ri­tät im links­rhei­ni­schen Deutsch­land gel­ten. Für Be­völ­ke­rung, Po­li­tik, Ver­wal­tung und Wirt­schaft war es in den Fol­ge­jah­ren von nicht ge­rin­ger Be­deu­tung, ob man sich im be­setz­ten oder un­be­setz­ten Teil der Rhein­pro­vinz be­fand. Po­li­ti­sche Äu­ße­run­gen und „Agi­ta­ti­on“, die im un­be­setz­ten Ge­biet über die Par­tei­gren­zen hin­weg all­ge­mei­ne Zu­stim­mung ge­fun­den hät­ten, konn­ten im be­setz­ten Ge­biet kur­zer­hand zur Aus­wei­sung füh­ren.

Die von der deut­schen Öf­fent­lich­keit als un­zu­mut­bar emp­fun­de­nen Be­din­gun­gen des Ver­sailler Ver­trags – um­fang­rei­che Ge­biets­ver­lus­te, Be­set­zung wei­te­rer, be­deu­ten­der Ge­bie­te, Re­du­zie­rung der Streit­kräf­te auf ein 100.000-Mann-Heer usw. – be­deu­te­ten für die jun­ge Re­pu­blik ei­ne er­heb­li­che Hy­po­thek. Die Be­set­zung des links­rhei­ni­schen Reichs­ge­bie­tes – so­weit es beim Deut­schen Reich ver­blieb – so­wie die Bil­dung rechts­rhei­ni­scher Brü­cken­köp­fe be­för­der­ten ins­be­son­de­re die be­setz­ten Ge­bie­te der von der Rhein­land­be­set­zung am stärks­ten be­trof­fe­nen Rhein­pro­vinz aus deut­scher Sicht zu „na­tio­na­len Kri­sen­ge­bie­ten, de­nen auch im Reichs­in­ter­es­se der grö­ßt­mög­li­che Bei­stand zu leis­ten war“.[8]  Reich und Preu­ßen wa­ren so­mit in glei­chem Ma­ße an ei­ner Lö­sung der zahl­rei­chen mit der Be­set­zung ver­bun­de­nen Pro­ble­me in­ter­es­siert. Dies schlug sich un­ter an­de­rem in der Ein­rich­tung neu­er Stel­len nie­der, et­wa de­m Reichs­kom­mis­sar für die be­setz­ten rhei­ni­schen Ge­bie­te in Ko­blenz.

Wie in­ten­siv auch im all­täg­li­chen Le­ben die Be­sat­zungs­fol­gen zu spü­ren wa­ren, ver­deut­licht das Bei­spiel der Zeit­um­stel­lung: Vom 15.12.1918 bis zum En­de des Waf­fen­still­stan­des so­wie er­neut zwi­schen Ok­to­ber 1921 und Fe­bru­ar 1925 wur­de im be­setz­ten Ge­biet auf die West­eu­ro­päi­sche Zeit um­ge­stellt. Die Uh­ren wur­den al­so um ei­ne Stun­de zu­rück­ge­stellt.

Ei­ne Be­son­der­heit stell­te das „Saar­ge­bie­t“ dar, wel­ches de fac­to aus der Rhein­pro­vinz aus­ge­glie­dert und ei­nem Son­der­sta­tut des Völ­ker­bun­des un­ter­stellt wur­de. Nach ei­ner 15-jäh­ri­gen Über­gangs­zeit soll­te die Be­völ­ke­rung mit­tels Ab­stim­mung selbst über die künf­ti­ge staat­li­che Zu­ge­hö­rig­keit des Saar­ge­bie­tes ent­schei­den. Do­mi­nie­rend war in der Pra­xis der Einfluß Frank­reichs, an der Spit­ze der mi­li­tä­ri­schen Be­sat­zungs-Ver­wal­tung stand der fran­zö­si­sche Ge­ne­ral Jo­seph Louis And­lau­er (1869-1956) („Ad­mi­nis­tra­teur Su­pé­ri­eur de la Sar­re“). Am 4.4.1919 wur­de im Saar­ge­biet der Aus­nah­me­zu­stand ver­kün­det. Auf ei­nem Pla­ka­t­an­schlag, ge­zeich­net von Ge­ne­ral And­lau­er, stand un­ter an­de­rem zu le­sen[9] :

„Durch die ge­gen­wär­ti­ge La­ge im Saarbe­cken tre­ten ab Sams­tag, den 5. April für die ge­sam­te Be­völ­ke­rung fol­gen­de Maß­nah­men in Kraft: Je­des Zu­sam­men­ste­hen in den Dör­fern wie auch au­ßer­halb der Dör­fer, wo es im­mer auch sein mag, ist ver­bo­ten, ein­ge­schlos­sen in die­ses Ver­bot sind Zu­sam­men­künf­te in Gast­wirt­schaf­ten, Kaf­fees und Pri­vat­häu­sern. Je­de An­samm­lung von mehr als 4 Per­so­nen wird mit Ge­walt aus­ein­an­der­ge­wie­sen.“

Die­se Maß­nah­men zeu­gen zum ei­nen von dem durch­aus nach­voll­zieh­ba­ren Si­cher­heits­be­dürf­nis der fran­zö­si­schen Be­sat­zungs­macht; sie kön­nen zum an­de­ren bei der Er­klä­rung des Un­mu­tes der ein­hei­mi­schen Be­völ­ke­rung hilf­reich sein, der zu ei­nem ge­wis­sen Teil – aber eben nicht aus­schlie­ß­lich – auf der deut­schen Pro­pa­gan­da, xe­no­pho­ben Vor­ur­tei­len und auf­ge­bausch­ten Ein­zel­fäl­len be­ruh­te.

3. Die Ausweitung der Besetzung in den Jahren 1920 und 1921

Daß die Be­set­zung des links­rhei­ni­schen Rhein­lan­des durch­aus be­frie­den­de Wir­kung ent­fal­ten konn­te, zeig­te sich wäh­rend des so ge­nann­ten „Ruhr­krie­ge­s“. In­fol­ge des mißlungenen „Kapp-Lütt­witz-Put­sches“ in Ber­lin im März 1920 kam es im rhei­nisch-west­fä­li­schen In­dus­trie­ge­biet zu ei­ner Er­he­bung der kom­mu­nis­tisch do­mi­nier­ten „Ro­ten Ruhr­ar­mee“, die von Reichs­wehr und Frei­korps mit gro­ßer Här­te nie­der­ge­schla­gen wur­de und ins­ge­samt et­wa 1.600 Men­schen­le­ben for­der­te. Im links­rhei­ni­schen Be­sat­zungs­ge­biet blieb es hin­ge­gen ru­hig. Als Re­ak­ti­on auf das Über­grei­fen deut­scher mi­li­tä­ri­scher Ein­hei­ten auf das ent­mi­li­ta­ri­sier­te Ruhr­ge­biet im Zu­ge der Kampf­hand­lun­gen ge­gen die „Ro­te Ar­mee“ be­setz­ten fran­zö­si­sche Trup­pen ab dem 6.4.1920 vor­über­ge­hend den Main­gau, na­ment­lich die Städ­te Frank­furt am Main, Darm­stadt, Die­burg, Hom­burg und Ha­nau.

Das Deut­sche Reich er­füll­te die ihm im Ver­sailler Ver­trag und im Pro­to­koll zu Spa auf­er­leg­ten Ver­pflich­tun­gen nur schlep­pend, ins­be­son­de­re die Ver­zö­ge­run­gen bei De­mi­li­ta­ri­sie­rung und Koh­le­lie­fe­run­gen er­reg­ten in Pa­ris Un­mut. Die Kon­fe­renz von Pa­ris leg­te am 29.1.1921 die Hö­he der Re­pa­ra­tio­nenfest. Für den Fall der Nicht­an­nah­me wur­den Deutsch­land ver­schie­de­ne Sank­ti­ons­mög­lich­kei­ten vor Au­gen ge­führt: Zeit­li­che und geo­gra­phi­sche Aus­deh­nung der Rhein­land­be­set­zung, zoll- und han­dels­po­li­ti­sche Kon­se­quen­zen so­wie das Ve­to ge­gen ei­nen Völ­ker­bund­bei­tritt des Deut­schen Rei­ches. Der deut­sche Au­ßen­mi­nis­ter Wal­ter Si­mons (1861-1937, Amts­zeit 25.6.1920-4.5.1921) be­zeich­ne­te die For­de­run­gen vor der in­te­r­al­li­ier­ten Kon­fe­renz in Lon­don am 1.3.1921 schlicht­weg als un­er­füll­bar. Nun war auch der eng­li­sche Pre­mier­mi­nis­ter Da­vid Lloyd Ge­or­ge (1863-1945, Amts­zeit 1916-1922) zu Zu­ge­ständ­nis­sen ge­gen­über den fran­zö­si­schen Sank­ti­ons­for­de­run­gen be­reit. Die Kon­fe­renz bil­lig­te je­doch nicht die von Aris­ti­de Bri­and (1862-1932) fa­vo­ri­sier­te Be­set­zung des Ruhr­ge­bie­tes, son­dern zu­nächst le­dig­lich ein von Groß­bri­tan­ni­en und Bel­gi­en vor­ge­schla­ge­nes Ul­ti­ma­tum.

Die Entente Mächte droh­ten Deutsch­land mit ei­ner Aus­wei­tung der Be­set­zung für den Fall, daß die Zah­lun­gen nicht bis zum 12. Mai er­bracht wür­den. Da die deut­sche Sei­te un­nach­gie­big blieb, rück­ten fran­zö­si­sche, bel­gi­sche und eng­li­sche Trup­pen­ver­bän­de in die Städ­te Düs­sel­dorfDuis­burg und Ruhr­ort (heu­te Stadt Duis­burg) ein.

 Angehörige der 'Roten Ruhrarmee', 1920.

Wäh­rend die Ope­ra­ti­on im Main­gau als „ein­ma­li­ge Po­li­zei­maß­nah­me“ gel­ten konn­te, rech­ne­ten bei der Be­set­zung der rechts­rhei­ni­schen Brü­cken­köp­fe Düs­sel­dorf, Duis­burg und Ruhr­ort vie­le mit ei­ner län­ge­ren Sank­ti­ons­dau­er. Han­del­te es sich 1920 um ein mi­li­tä­risch mo­ti­vier­tes Vor­ge­hen, stan­den bei den Ak­ti­vi­tä­ten des Jah­res 1921 wirt­schafts­po­li­ti­sche As­pek­te im Vor­der­grund. Die Be­set­zung der drei rechts­rhei­ni­schen Städ­te en­de­te erst im Jahr 1925, als auch die in­zwi­schen er­folg­te Ruhr­be­set­zung auf­ge­ho­ben wur­de.

4. Die Ruhrbesetzung 1923 bis 1925

Als die deut­sche Sei­te mit der Zah­lung der Re­pa­ra­tio­nen – vor al­lem in Form von Holz- und Koh­le­lie­fe­run­gen – nicht mehr nach­kam, war dies für den fran­zö­si­schen Mi­nis­ter­prä­si­den­ten Ray­mond Poin­ca­ré (1860-1934) der Anlaß, das Ruhr­ge­biet mi­li­tä­risch zu be­set­zen. Seit dem 11.1.1923 rück­ten fran­zö­si­sche und bel­gi­sche Ver­bän­de nach und nach vor, so daß das Kon­tin­gent der Be­sat­zungs­trup­pen an der Ruhr ge­gen En­de des Mo­nats März ei­ne Stär­ke von ca. 100.000 Sol­da­ten er­reicht hat­te. Die Aus­wei­tung der Be­set­zung hat­te nicht et­wa – wie von deut­scher Sei­te häu­fig be­haup­tet und be­fürch­tet – ei­ne An­ne­xi­on des Ruhr­ge­bie­tes zum Ziel, son­dern die Si­che­rung „pro­duk­ti­ver Pfän­der“ („ga­ge pro­duc­tif“) . Die In­dus­trie des Ruhr­ge­bie­tes wur­de als Faust­pfand be­trach­tet, daß man für die Dau­er der Be­sat­zung pro­duk­tiv für sich zu nut­zen ge­dach­te – ebensolange, bis die deut­sche Sei­te wie­der ih­ren Re­pa­ra­ti­ons­ver­pflich­tun­gen nach­kom­men wür­de.

Die deut­sche Reichs­re­gie­rung re­agier­te mit dem Auf­ruf zum „pas­si­ven Wi­der­stan­d“. Die­se Maß­nah­me wur­de vom Gro­ß­teil der Be­völ­ke­rung mit­ge­tra­gen: „Die Em­pö­rung, die der Ein­marsch aus­lös­te, war all­ge­mein und ging durch al­le Schich­ten“.[10]  So wand­te sich et­wa die der So­zi­al­de­mo­kra­tie na­he ste­hen­de „Es­se­ner Ar­bei­ter-Zei­tun­g“ „aus rei­nem na­tio­na­lem Emp­fin­den ge­gen die Ver­ge­wal­ti­gung […] hei­mat­li­chen Bo­den­s“.[11]

Ein auch in ak­tu­el­len Pu­bli­ka­tio­nen häu­fig ab­ge­bil­de­tes Pro­test­pla­kat ge­gen die Ruhr­be­set­zung bringt die Hal­tung wei­ter Tei­le der Be­völ­ke­rung zum Aus­druck: „Nein! Mich zwingt Ihr nicht!“.[12]  Die­se Ein­stel­lung kor­re­lier­te mit den Wor­ten des Vor­sit­zen­den des Aus­wär­ti­gen Aus­schus­ses, Gus­tav Stre­se­mann (DVP) (1878-1929). In ei­ner Er­klä­rung für die bür­ger­li­chen Frak­tio­nen des Reichs­tags führ­te die­ser un­ter an­de­rem aus: „Ge­gen die Ver­ge­wal­ti­gung des deut­schen Vol­kes, deut­schen Bo­dens und deut­scher Wirt­schaft, ge­gen die­sen Bruch ge­schrie­be­ner Ver­trä­ge und un­ge­schrie­be­ner […] ru­fen wir das deut­sche Volk und die Ge­wis­sen der Völ­ker zum Wi­der­stan­de auf […]. Frank­reichs Ziel ist die Ver­nich­tung Deutsch­lands […]. Das wird ihm nicht ge­lin­gen“.

Die Si­tua­ti­on spitz­te sich zu­neh­mend zu: Staats- und Kom­mu­nal­be­am­te wi­der­setz­ten sich fran­zö­si­schen An­ord­nun­gen, Ei­sen­bahn- und Ze­chen­ar­bei­ter igno­rier­ten die An­wei­sun­gen der Be­sat­zungs­mäch­te. Kauf­mann­schaft, Hand­werk und Gas­tro­no­mie be­schlos­sen, ge­gen­über Bel­gi­ern und Fran­zo­sen kei­ne Leis­tun­gen zu er­brin­gen. Die Ze­chen­di­rek­to­ren ver­wei­ger­ten auf Ge­heiß des Reichs­koh­len­kom­mis­sars die Ko­ope­ra­ti­on mit den Wirt­schafts­of­fi­zie­ren der Ge­gen­sei­te. Auf die­se Wei­se soll­ten Koh­le­lie­fe­run­gen an die Be­sat­zungs­mäch­te un­ter­bun­den wer­den.

Nun es­ka­lier­te die La­ge voll­ends, denn die Be­sat­zungs­mäch­te ant­wor­te­ten am 29.1.1923 mit der Ver­hän­gung ei­nes ver­schärf­ten Be­la­ge­rungs­zu­stan­des. Ar­bei­ter, An­ge­stell­te und Un­ter­neh­mer, Staats- und Kom­mu­nal­be­am­te so­wie Pri­vat­per­so­nen wur­den fest­ge­nom­men und häu­fig mit emp­find­li­chen Geld- oder Haft­stra­fen ver­se­hen, wenn nicht zum Mit­tel der Aus­wei­sung aus dem be­setz­ten Ge­biet ge­grif­fen wur­de.

Ruhrbesetzung, 1923. (Bundesarchiv Bild 183-R09876 / CC-BY-SA 3.0) 

Tat­säch­lich blieb der pas­si­ve Wi­der­stand in den ers­ten Wo­chen nicht oh­ne Wir­kung, be­ein­träch­tig­te er die loth­rin­gi­sche Schwer­in­dus­trie zu­nächst er­heb­lich. Doch grö­ßer noch wa­ren die ne­ga­ti­ven Fol­gen für das Reich selbst. Nach­dem die Fran­zo­sen den Ei­sen­bahn­ver­kehr in ei­ge­ner Re­gie or­ga­ni­siert hat­ten, lief der Ab­trans­port der Koh­le wie­der an, so daß die fran­zö­si­sche Stahl­in­dus­trie bald dar­auf wie­der im ge­wohn­ten Um­fang pro­du­zie­ren konn­te. In Deutsch­land hin­ge­gen kam es zu Ver­sor­gungs­eng­päs­sen, ga­lop­pie­ren­der In­fla­ti­on und Man­gel­er­näh­rung wei­ter Be­völ­ke­rungs­krei­se, was am 12.8.1923 schlie­ß­lich zum Rück­tritt der Re­gie­rung Cu­no führ­te. Die Pha­lanx des pas­si­ven Wi­der­stan­des ge­riet all­mäh­lich in Auf­lö­sung, im­mer häu­fi­ger war in der Be­völ­ke­rung von Ar­beits­auf­nah­me und Ab­bruch des Wi­der­stan­des die Re­de. So sah sich die neue Reichs­re­gie­rung un­ter Stre­se­mann am 26.9.1923 ge­zwun­gen, das En­de des pas­si­ven Wi­der­stan­des zu ver­kün­den.

Als letzt­lich er­folg­rei­ches Un­ter­fan­gen wer­tet Hans-Hein­rich Nol­te den pas­si­ven Wi­der­stand des Jah­res 1923, da die­ser durch sei­nen grund­sätz­li­chen Ver­zicht auf Ge­walt „zur Ver­bes­se­rung des Bil­des von Deutsch­land in den an­gel­säch­si­schen Län­dern und da­mit lang­fris­tig zur Ver­bes­se­rung der La­ge des Lan­des“ bei­ge­tra­gen ha­be.[13]  Die ge­ra­de­zu kon­trä­re Po­si­ti­on ver­tritt Gerd Kru­meich, in des­sen Au­gen der pas­si­ve Wi­der­stand dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und des­sen Me­tho­den der Ge­walt­an­wen­dung den Weg be­rei­te­te[14] : „We­ni­ger deut­lich [...] ist bis­lang, wie­weit auch fa­schis­ti­sche Ak­ti­vi­tä­ten im wei­tes­ten Sinn von die­sen Ver­hält­nis­sen be­för­dert und zu ei­ner Art neu­er Nor­ma­li­tät wur­den. Die al­lein durch die Aus­wir­kun­gen des ,Ruhr­kampfs’ zu er­klä­ren­den neu­en In­ter­ven­ti­ons­for­men mit z.T. hoch­po­li­ti­sier­ter öf­fent­li­cher Ver­wal­tung ver­wei­sen auf die­sen Zu­sam­men­hang. [...] im­mer wie­der kam es zur ,Zu­sam­men­ar­beit’ von staat­li­cher Ver­wal­tung und Ter­ror­or­ga­ni­sa­tio­nen und dar­über hin­aus zu der Ver­le­gung von ge­nu­in staat­li­cher Sank­ti­ons­ge­walt in die Hän­de pri­va­ter Per­so­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen. […] So war wohl das po­li­tisch we­sent­lichs­te Er­geb­nis des ,Ruhr­kampfs’ von 1923 die all­ge­gen­wär­ti­ge Er­fah­rung von Ge­walt im po­li­ti­schen Rah­men – ei­ne ers­te Form der Selbst­auf­lö­sung der De­mo­kra­tie und ei­ne Vor­stu­fe der Über­tra­gung der Macht an die po­li­ti­sche Ex­tre­me, wie sie de­fi­ni­tiv 1933 staat­li­che Rea­li­tät wer­den soll­te."

Mit­un­ter nah­men pas­si­ver Wi­der­stand und al­li­ier­te Ge­gen­maß­nah­men in der Tat ge­walt­tä­ti­ge Zü­ge an. Ins­be­son­de­re das Frei­korps „Ober­lan­d“ so­wie das „Han­sea­ti­sche Frei­korps“ gin­gen ge­walt­sam ge­gen die fran­zö­si­sche Be­sat­zung vor. Der spä­ter von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten glo­ri­fi­zier­te Al­bert Leo Schla­ge­ter (1894-1923) ver­üb­te Sa­bo­ta­ge­ak­te auf fran­zö­si­sche Ver­kehrs­ein­rich­tun­gen und wur­de nach sei­ner Er­grei­fung von ei­nem fran­zö­si­schen Kriegs­ge­richt zum To­de ver­ur­teilt. Sei­ne Hin­rich­tung fand am 26.5.1923 auf der Golz­hei­mer Hei­de bei Düs­sel­dorf statt. Klaus Wisotz­ky weist je­doch dar­auf hin, daß der ak­ti­ve, ge­walt­sa­me Wi­der­stand „bei al­ler na­tio­na­len Em­pha­se und bei al­ler Em­pö­run­g“ in der Be­völ­ke­rung nur we­nig Rück­halt be­saß.

5. Die Position der Besatzungsmächte gegenüber den verschiedenen Abtrennungsbestrebungen

Die his­to­ri­sche For­schung in Deutsch­land und in Frank­reich war sich lan­ge Zeit nicht dar­über ei­nig, ob die Zu­rück­drän­gung Deutsch­lands bis auf die Rhein­gren­ze zu den kon­stan­ten Kriegs­zie­len Frank­reichs ge­hör­te.[19]  Wenn­gleich die Rhein­gren­ze nicht mit letz­ter Kon­se­quenz und vor al­lem nicht mit gleichbleibender Kon­stanz als Kriegs­ziel ver­folgt wur­de, scheint die Schlußfolgerung An­na-Mo­ni­ka Lau­ters plau­si­bel: „Die For­de­rung nach der Rhein­gren­ze – ob in Form ei­ner An­ne­xi­on, ei­ner Neu­tra­li­sie­rung, ei­nes au­to­no­men Pro­tek­to­rats oder der dau­er­haf­ten Be­set­zung – wur­de in wei­ten Tei­len aus Po­li­tik und Ge­sell­schaft ver­tre­ten. Vor al­lem aber ent­wi­ckel­te sich ein Ar­se­nal an Ar­gu­men­ten zur Be­grün­dung des fran­zö­si­schen An­spruchs auf die links­rhei­ni­schen Ge­bie­te, das nach dem Krieg wei­ter zur Ver­fü­gung stan­d“.[20]

Beerdigung der 'Krupp-Opfer' auf dem Ehrenfriedhof in Essen, 10.4.1923.

Die fran­zö­si­sche Öf­fent­lich­keit war al­ler­dings auch nach dem En­de des Krie­ges al­les an­de­re als ei­nig, was die Zu­kunft des be­setz­ten Ge­bie­tes an­be­lang­te. Na­tür­lich gab es – vor al­lem, aber nicht aus­schlie­ß­lich auf der po­li­ti­schen Rech­ten – ei­ne „an­ne­xi­ons­be­rei­te fran­zö­si­sche Rhein-Lob­by“, doch re­prä­sen­tier­te die­se kei­nes­wegs die Be­völ­ke­rungs­mehr­heit.[21]  Selbst die For­de­rung ei­ner Ab­tren­nung des be­setz­ten Ge­bie­tes von Deutsch­land oder we­nigs­tens von Preu­ßen war längst nicht All­ge­mein­gut.[22]  Wäh­rend die Pres­se in der fran­zö­si­schen Pro­vinz, im Sü­den und Wes­ten des Lan­des, „of­fen und selbst­ver­ständ­li­ch“[23]  die Un­ter­stüt­zung des Se­pa­ra­tis­mus for­der­te, ver­hiel­ten sich die Pa­ri­ser Zei­tun­gen zu­rück­hal­ten­der. Dort wa­ren sol­che Tö­ne kaum zu ver­neh­men, was An­na-Mo­ni­ka Lau­ter mit der „Rück­sicht­nah­me auf das in­ter­na­tio­na­le di­plo­ma­ti­sche Par­ket­t“ be­grün­det. Der Ge­dan­ke ei­ner Tren­nung des Rhein­lands vom üb­ri­gen Reich in Form ei­nes ei­ge­nen Staa­tes war vor al­lem bei Wis­sen­schaft­lern, Li­te­ra­ten und Jour­na­lis­ten po­pu­lär. Die In­itia­ti­ve hier­zu soll­te al­ler­dings von der rhei­ni­schen Be­völ­ke­rung aus­ge­hen, nicht von au­ßen ok­troy­iert wer­den.

Die Po­si­tio­nie­rung der fran­zö­si­schen Kreis­de­le­gier­ten ge­gen­über den au­to­no­mis­ti­schen und se­pa­ra­tis­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten fiel recht un­ter­schied­lich aus. Wäh­rend der fran­zö­si­sche Be­zirks­de­le­gier­te der In­te­r­al­li­ier­ten Rhein­land­kom­mis­si­on in Trier am 22.10.1923 sei­ne Sym­pa­thie für die se­pa­ra­tis­ti­sche Sa­che be­kun­de­te, för­der­te der fran­zö­si­sche Kreis­de­le­gier­te im Rest­kreis Mer­zig-Wa­dern das Vor­ge­hen der Se­pa­ra­tis­ten nur „auf hö­he­re Wei­sun­g“, wäh­rend er ih­nen in ei­ni­gen Fäl­len so­gar Ein­halt ge­bot. Das un­ter­schied­li­che Ver­hal­ten der fran­zö­si­schen Stel­len brach­te auf deut­scher Sei­te der Reichs­mi­nis­ter der Fi­nan­zen in ei­nem Schrei­ben an das Reichs­mi­nis­te­ri­um für die be­setz­ten Ge­bie­te vom 24.11.1923 zur Spra­che: „Wäh­rend im bel­gisch be­setz­ten Ge­biet die Son­der­bünd­ler ent­waff­net wur­den, er­hal­ten sie im fran­zö­sisch be­setz­ten Ge­biet fast über­all tat­kräf­ti­ge Un­ter­stüt­zung durch die fran­zö­si­schen Kreis­de­le­gier­ten. Al­ler­dings kann man große Ver­schie­den­hei­ten im Ver­hal­ten der ein­zel­nen De­le­gier­ten be­ob­ach­ten. Ein­zel­ne sind durch­aus an­stän­dig und wirk­lich be­strebt, neu­tral zu sein[,] z.B. in St. Goar, Ge­münd, Sim­mern; an­de­re un­ter­stüt­zen die Son­der­bünd­ler heim­lich oder in­di­rekt, z.B. Kreuz­nach, May­en, Ahr­wei­ler; an­de­re wie­der füh­ren of­fen die Ge­schäf­te der Son­der­bünd­ler[,] z.B. Dü­ren, Daun, Prüm, Bir­ken­feld etc.“.[24]

Ti­rard hielt ei­ne bun­des­staat­li­che Lö­sung, al­so ei­ne rhei­ni­sche Au­to­no­mie in­ner­halb des Reichs­ver­bands, nicht für aus­rei­chend. Er setz­te bei sei­nen Be­mü­hun­gen auf ei­ne Los­lö­sung rhei­ni­scher Ge­bie­te von Deutsch­land und die Grün­dung ei­nes selbständigen rhei­ni­schen Staa­tes. So äu­ßer­te Ti­rard dem Trie­rer Ober­bür­ger­meis­ter Chris­ti­an Stöck (1866-1953) ge­gen­über, wie die­ser in sei­nen Er­in­ne­run­gen fest­hält: „Er [Ti­rard] er­klär­te mir, die Schaf­fung ei­nes Staa­tes im Ver­ban­de des Deut­schen Rei­ches ge­nü­ge dem fran­zö­si­schen Vol­ke nicht, da sie nicht ge­nü­gend Si­cher­heit ge­gen den preu­ßi­schen Ein­fluß bie­te. [...] Sei­ner An­sicht [nach] sei es das Beste, ei­ne Art Con­fö­de­ra­ti­on zu bil­den wie die Schweiz, be­ste­hend aus je ei­ner Re­pu­blik Pfalz, Rhein­hes­sen, Mo­sel­land etc.“.[25]

Der mitt­ler­wei­le in Pa­ris sta­tio­nier­te Ge­ne­ral Charles Man­gin (1866-1925) mach­te Poin­ca­ré ge­gen­über Vor­schlä­ge zur Er­rich­tung ei­ner „Rhei­ni­schen Re­pu­bli­k“. Er lud Hans Adam Dor­ten (1880-1963), zu dem er im­mer noch Kon­takt un­ter­hielt, ein nach Pa­ris, wo die­ser sym­pa­thi­sie­ren­de Po­li­ti­ker und Jour­na­lis­ten tref­fen soll­te, dar­un­ter auch den Her­aus­ge­ber des „Le Ma­tin“. Die­ser wie­der­um ver­si­cher­te Dor­ten der Un­ter­stüt­zung durch die fran­zö­si­sche Po­li­tik. Dor­ten sol­le nur sei­ne Stär­ke, sei­nen Rück­halt in der rhei­ni­schen Be­völ­ke­rung un­ter Be­weis stel­len, dann wer­de ihm ge­hol­fen. So­bald die Din­ge ih­ren Lauf näh­men, wer­de Man­gin zur Un­ter­stüt­zung Dor­tens ab­ge­ord­net. Mang­ins Nach­fol­ger Ge­ne­ral Jean-Ma­rie De­gout­te (1866-1938) wirk­te in sei­ner Denk­schrift vom 19.4.1921 auf ei­ne An­ne­xi­on des Rhein­lands durch Frank­reich hin.

Der Li­te­rat, Jour­na­list, Po­li­ti­ker, Ab­ge­ord­ne­te und Prä­si­dent der „Pa­trio­ti­schen Li­ga“ Mau­rice Bar­rès (1862-1923) galt ei­ner der ag­gres­sivs­ten und einflußreichsten fran­zö­si­schen Re­van­chis­ten.[26]  Er be­müh­te sich wäh­rend der ge­sam­ten Be­sat­zungs­zeit, die fran­zö­si­sche Po­li­tik in Rich­tung ei­ner An­ne­xi­on – und als ei­ne sol­che im­mer un­wahr­schein­li­cher wur­de: in Rich­tung ei­nes selbständigen Rhe­in­staa­tes – zu be­we­gen. Die Rhein­län­der, die er als hal­be Gal­li­er und halb-ro­ma­nisch be­zeich­ne­te, be­ab­sich­tig­te er Preu­ßen-Deutsch­land zu ent­frem­den und für die fran­zö­si­sche Kul­tur zu ge­win­nen.[27]  Ge­gen En­de sei­nes Le­bens – er starb am 5.12.1923 – fa­vo­ri­sier­te Bar­rès, der kurz zu­vor noch das be­setz­te Ge­biet be­reist hat­te, für das Rhein­land die se­pa­ra­tis­ti­sche Va­ri­an­te in Form ei­nes nörd­li­chen und ei­nes süd­li­chen Rhe­in­staa­tes.

Cum gra­no sa­lis läßt sich fest­hal­ten: Wäh­rend Bel­gi­er und Fran­zo­sen vor Ort durch­aus Sym­pa­thi­en für ei­ne Ab­tren­nung des Rhein­lands zu­min­dest von Preu­ßen – und so­mit auch für den Ge­dan­ken ei­nes Rhe­in­staa­tes – heg­ten, ver­hiel­ten sich Ame­ri­ka­ner und Eng­län­der zu­rück­hal­tend bis ab­wei­send ge­gen­über den ent­spre­chen­den Prot­ago­nis­ten. Ein Bei­spiel hier­für ist der Ober­be­fehls­ha­ber der ame­ri­ka­ni­schen Be­sat­zungs­ar­mee Hen­ry T. Al­len (1859-1930). Die­ser schil­dert in sei­nen Er­in­ne­run­gen die Ak­ti­vi­tä­ten und An­nä­he­rungs­ver­su­che des Rhe­in­staat­be­für­wor­ters Hans Adam Dor­ten[28] :

„Die Um­trie­be Dr. Dor­tens in der ame­ri­ka­ni­schen Zo­ne tre­ten scharf in den Vor­der­grund. Ich bin nicht voll­kom­men si­cher, ob un­se­re Po­li­tik, die je­de Pro­pa­gan­da für ei­ne Rhein­re­pu­blik un­ter­sagt, die rich­ti­ge ist. Im­mer­hin ist sie von un­se­rem Gro­ßen Haupt­quar­tier ge­bil­ligt und wird auch von den Eng­län­dern ver­folgt, wäh­rend die Fran­zo­sen dem Dr. Dor­ten ih­re wei­test­ge­hen­de Un­ter­stüt­zung und al­le mög­li­chen Er­leich­te­run­gen zu­teil wer­den las­sen. Ich hö­re, daß Ge­ne­ral Gé­r­ard, der die 8. Ar­mee in Land­au kom­man­diert, für die Grün­dung ei­ner, Pfalz-Re­pu­blik’, ei­ner ,Re­pu­blik Mainz’ und ei­ner ,Re­pu­blik Köln’ ist. Bei der geis­ti­gen Ver­fas­sung die­ser Her­ren ist es wahr­schein­lich, daß sie auch in Co­blenz und Köln ger­ne ans Ru­der kom­men möch­ten. Mei­ne ei­ge­ne An­sicht über die in der ame­ri­ka­ni­schen Zo­ne zu be­fol­gen­de Po­li­tik ist die, den Deut­schen so­weit freie Hand zu las­sen, als dies mit der Auf­recht­er­hal­tung der Ord­nung und den Be­stim­mun­gen des Ver­tra­ges in Ein­klang ge­bracht wer­den kann.“

Da letzt­lich auch die Ver­tre­ter Bel­gi­ens und Frank­reichs nicht ent­schie­den zu­guns­ten der Rhe­in­staat­be­für­wor­ter – na­ment­lich der Se­pa­ra­tis­ten im Jahr 1923 – ein­grif­fen, wa­ren die­se auf sich al­lein ge­stellt und so­mit zum Schei­tern ver­ur­teilt.

Separatisten der Rheinischen Republik vor dem Kurfürstlichen Schloß in Koblenz, 22. November 1923. (Library of Congress)

  1. Die Propaganda der französischen Seite

Von fran­zö­si­scher Sei­te – oder tref­fen­der: von Ti­rard – wur­de der Ver­such ei­ner „fried­li­chen Durch­drin­gun­g“, ei­ner „pé­né­tra­ti­on pa­ci­fi­que“ un­ter­nom­men. Wich­ti­ges In­stru­ment für Pres­se­po­li­tik und Pro­pa­gan­da war die Ab­tei­lung „Pres­se et In­for­ma­ti­on“ in Ko­blenz, die dem fran­zö­si­schen Kom­mis­sa­ri­at an­ge­glie­dert war. Ti­rard ging recht un­ab­hän­gig von der je­wei­li­gen Re­gie­rung in Pa­ris vor, was je­doch auch die Ge­fahr des Schei­terns in sich barg. Sei­ne Wer­be­kam­pa­gne für die fran­zö­si­sche Kunst­aus­stel­lung 1921 in Wies­ba­den et­wa schei­ter­te dar­an, daß sie kei­ne of­fe­ne Un­ter­stüt­zung sei­tens der Re­gie­rung er­fah­ren hat­te, weil die­se den (wirt­schaft­li­chen) In­ter­es­sen der ei­ge­nen Be­völ­ke­rung mehr Be­ach­tung schenk­te als den Kon­zep­tio­nen Ti­rards. Die (Kul­tur-)Pro­pa­gan­da Ti­rards hat­te zwei Sto­ß­rich­tun­gen: Zum ei­nen ziel­te sie auf die ein­hei­mi­sche rhei­ni­sche Be­völ­ke­rung ab, zum an­de­ren auf die öf­fent­li­che Mei­nung in der fran­zö­si­schen Hei­mat. Bei­de ver­such­te Ti­rard für den Ge­dan­ken zu ge­win­nen, daß von ei­ner Ein­glie­de­rung des be­setz­ten Rhein­lands in den fran­zö­si­schen Staat al­le Be­tei­lig­ten nur pro­fi­tie­ren könn­ten, daß – um es in mo­der­ne­ren Wor­ten zu for­mu­lie­ren – zu­sam­men­zu­füh­ren sei, was zu­sam­men ge­hö­re.

Was be­inhal­te­ten nun die Maß­nah­men der „fried­li­chen Durch­drin­gun­g“? Zu­nächst wur­de das Ter­rain der Pres­se be­schrit­ten, um ei­ne Stei­ge­rung der Wir­kung der Kul­tur­pro­pa­gan­da zu er­rei­chen. Seit dem 1.10.1920 er­schien in Mainz ei­ne zwei­spra­chi­ge Zeit­schrift, die sich in trans­na­tio­na­ler Per­spek­ti­ve dem in­ter­na­tio­na­len Kul­tur­aus­tausch ver­schrie­ben hat­te, die „Rhei­ni­sche[n] Blät­ter. Zeit­schrift für Li­te­ra­tur, Han­del, Ge­wer­be und Kunst“ oder Französisch „La Re­vue Rhé­na­ne. Re­vue lit­tér­ai­re, éco­no­mi­que et ar­tis­ti­que“. Ihr aus­drück­li­ches An­sin­nen war nach ei­ge­nem Be­kun­den, die „geis­ti­ge Ver­bin­dung zwi­schen Deutsch­land und Frank­reich“ neu zu be­le­ben: „Die ,Rhei­ni­schen Blät­ter’ sind über­zeugt, daß ei­ne auf den Ver­stän­di­gungs­wil­len ge­stütz­te An­nä­he­rung, wel­che po­li­tisch sich zu voll­zie­hen im Be­griff ist, schon durch die ein­sich­ti­gen Be­mü­hun­gen und das auf­rich­ti­ge Stre­ben der her­vor­ra­gends­ten Geis­ter bei­der Na­tio­nen ei­ne teil­wei­se Ver­wirk­li­chung auf künst­le­ri­schem, li­te­ra­ri­schem und wirt­schaft­li­chem Ge­biet er­fah­ren ha­t“.[29]

Ein wei­te­res Mit­tel war das An­ge­bot von Sprach­kur­sen zur Er­lan­gung fran­zö­si­scher Sprach­kennt­nis­se. Im­mer­hin konn­te Ti­rard im De­zem­ber 1920 die Teil­nah­me von 12.485 Teil­neh­mern an fran­zö­si­schen Sprach­kur­sen im be­setz­ten Ge­biet ver­kün­den. Al­ler­dings war der Er­folg zwei­fel­haft: „Die Be­woh­ner des be­setz­ten Ge­biets schei­nen zwar durch­aus dar­an in­ter­es­siert ge­we­sen zu sein, die fran­zö­si­sche Spra­che zu er­ler­nen, ver­ban­den dies aber nicht mit ei­nem ge­stei­ger­ten In­ter­es­se an Frank­reich und der fran­zö­si­schen Kul­tur“.[30]  Dar­über hin­aus wur­den Vor­trags­rei­sen fran­zö­si­scher Wis­sen­schaft­ler so­wie Thea­ter- und Film­auf­füh­run­gen or­ga­ni­siert, je­doch mit nur mä­ßi­ger An­zie­hungs­kraft für die rhei­ni­sche Be­völ­ke­rung.

Karikatur 'Kulturelle Überfremdungsversuche durch französische Sendlinge', Rheinischer Beobachter, Jahrgang 1923.

Die fran­zö­si­sche Kul­tur­po­li­tik am Rhein war al­so bei wei­tem nicht so er­folg­reich – oder je nach Dar­stel­lung und Per­spek­ti­ve: be­droh­lich –, wie dies von deut­scher Sei­te häu­fig be­fürch­tet be­zie­hungs­wei­se be­haup­tet wur­de.[31]  Ei­ne Brei­ten­wir­kung er­ziel­te die fran­zö­si­sche Pro­pa­gan­da in der deut­schen Be­völ­ke­rung nicht, zu­min­dest nicht im be­ab­sich­tig­ten Sin­ne.[32]  Den­noch war die „pé­né­tra­ti­on pa­ci­fi­que“ in der deut­schen „Pres­se und Pu­bli­zis­tik ein häu­fig be­han­del­tes und emo­tio­nal ge­la­de­nes The­ma“,[33]  al­ler­dings un­ter den Ge­sichts­punk­ten des Ab­wehr­kamp­fes.

Auch in­nen­po­li­tisch führ­te Ti­rards Stra­te­gie nicht zum Er­folg, sei­ne Be­mü­hun­gen blie­ben in der fran­zö­si­schen Öf­fent­lich­keit fast oh­ne jeg­li­che Re­so­nanz. Eben­so schei­ter­te der Ver­such, in Frank­reich die Vor­stel­lung von ei­nem „rhein­frän­ki­schen“ be­zie­hungs­wei­se „rhei­ni­schen Bru­der­vol­k“ zu eta­blie­ren, dem man bei­ste­hen und daß man von Preu­ßen-Deutsch­land lö­sen müs­se. Er­folg be­schie­den war die­ser Art von Bin­nen-Pro­pa­gan­da le­dig­lich in den­je­ni­gen Krei­sen, wel­che Mau­rice Bar­rès, dem „Co­mité de la Ri­ve Gau­che du Rhin“ oder dem „Co­mité Du­plei­x“ na­he stan­den. Die fran­zö­si­sche Pres­se schenk­te Ti­rards Ak­ti­vi­tä­ten kaum Be­ach­tung. Schlie­ß­lich wie­sen die In­ter­es­sen des fran­zö­si­schen Mit­tel­stan­des, der die rhei­ni­sche Kon­kur­renz fürch­te­te, Ti­rards Pro­pa­gan­da in ih­re Gren­zen.

An­sons­ten wur­de die fran­zö­si­sche Pro­pa­gan­da ins­be­son­de­re wäh­rend der Aus­deh­nung des be­setz­ten Ge­bie­tes im Jahr 1923, in der Zeit des Pas­si­ven Wi­der­stan­des, ak­tiv, wo­von zahl­rei­che Flug­blät­ter und Pla­ka­te in den je­wei­li­gen kom­mu­na­len und staat­li­chen Ar­chi­ven zeu­gen:[34]  „Wohl zu kei­nem an­de­ren po­li­ti­schen Er­eig­nis gibt es so vie­le Pla­ka­te und Flug­blät­ter wie zum Ruhr­kampf“.[35]  Ziel der fran­zö­si­schen Pro­pa­gan­da­kom­pa­ni­en war es, den „Kampf um die Ober­ho­heit in den Köp­fen der Men­schen, der von bei­den Sei­ten mit gro­ßem Auf­wand be­strit­ten wur­de“, zu­guns­ten der fran­zö­si­schen Sei­te zu ent­schei­den und so­mit den Wi­der­stand auf der deut­schen Sei­te in sich zu­sam­men­fal­len zu las­sen, ihm qua­si die mo­ra­li­sche Grund­la­ge zu ent­zie­hen. Die fran­zö­si­sche Pro­pa­gan­da ver­such­te, an­ti­ka­pi­ta­lis­ti­sche und an­ti­preu­ßi­sche Res­sen­ti­ments zu be­die­nen. Adres­sat war die ein­hei­mi­sche Ar­bei­ter­schaft, die man an die blu­ti­gen Er­eig­nis­se wäh­rend des „Ruhr­krie­ge­s“ im Jahr 1920 er­in­ner­te und da­vor warn­te, sich von wort­brü­chi­gen Ver­tre­tern aus Schwer­in­dus­trie, Rechts­par­tei­en und ost­el­bi­schem Jun­ker­tum in­stru­men­ta­li­sie­ren zu las­sen. Es ge­he ein­zig und al­lein dar­um – so ver­kün­de­ten fran­zö­si­sche Flug­blät­ter –, „die Her­ren der Ber­li­ner Re­gie­rung, in wel­chen der al­te Geist der preu­ßi­schen Jun­ker auf­lebt, da­zu zu ver­an­las­sen, die von ih­nen un­ter­schrie­be­nen Ver­trä­ge nicht als Pa­pier­fet­zen zu be­han­deln“.

Das fran­zö­si­sche Un­ter­fan­gen, mit­tels in­ten­si­ver be­glei­ten­der Pro­pa­gan­da um Ver­ständ­nis oder gar Zu­stim­mung in der deut­schen Be­völ­ke­rung zu wer­ben, war schon zu Be­ginn der Ope­ra­tio­nen an der Ruhr zum Schei­tern ver­ur­teilt, denn auch wenn der Wi­der­stands­wil­le der Be­völ­ke­rung mit fort­dau­ern­dem „Ruhr­kampf“ er­lahm­te – Sym­pa­thi­en für Frank­reich woll­ten sich bei der gro­ßen Mehr­heit nicht ein­stel­len: „Die jah­re­lan­gen Be­mü­hun­gen, die Men­schen am Rhein für Frank­reich ein­zu­neh­men, wa­ren durch die Ruhr­be­set­zung end­gül­tig zum Schei­tern ver­ur­teil­t“.[36]

Ei­ne wei­te­re, tie­fer grei­fen­de Maß­nah­me war die Aus­wei­sung mißliebiger Per­so­nen aus dem Be­sat­zungs­ge­biet. Dies kann man durch­aus als pro­pa­gan­dis­ti­sches Mit­tel auf­fas­sen, konn­te sich die fran­zö­si­sche Sei­te von sol­chen Maß­nah­men doch nicht zu­letzt ab­schre­cken­de und dis­zi­pli­nie­ren­de Wir­kung er­hof­fen. Das Pro­ce­de­re bei ei­ner Aus­wei­sung wur­de dem Land­rat des Krei­ses May­en in ei­nem Be­richt vom 2.5.1923 ge­schil­dert: „Die Aus­wei­sung nahm den ge­wöhn­li­chen Ver­lauf, in­dem Feld­gen­dar­men in den Woh­nun­gen der Aus­ge­wie­se­nen er­schie­nen und die­sel­ben ins un­be­setz­te Ge­biet ab­trans­por­tier­ten. So­weit Fa­mi­li­en vor­han­den wa­ren, mußten die­se in­ner­halb 4 Ta­gen fol­gen“.[37]  Ins­ge­samt wur­den et­wa 150.000 Per­so­nen sei­tens der fran­zö­si­schen Be­sat­zung aus­ge­wie­sen. Da­bei han­del­te es sich um 40.000 Haus­hal­tungs­vor­stän­de und 110.000 Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ri­ge. Al­lein in der Stadt Ko­blenz, dem Sitz des Ober­prä­si­den­ten Hans Fuchs, wa­ren 1.500 Per­so­nen mit ih­ren Fa­mi­li­en von der Aus­wei­sung be­trof­fen, dar­un­ter der Ober­prä­si­dent selbst – er wur­de am 2. Fe­bru­ar 1923 aus­ge­wie­sen.


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Teil 2

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