Die EU ist, wie das Karlsruher Urteil offenlegt, nach Jahrzehnten unbewältigter Expansion in diffuser Unrast gestrandet. Die Unionsorgane haben ein parareligiöses Selbstverständnis entwickelt, dabei die Bürger verloren - und merken es nicht. Von Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg (CSU).
Das Bundesverfassungsgericht rügte mit Urteil vom 5.5.2020 Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB), die mit ihrem Großankauf von Anleihen stockende Märkte und Staatseinnahmen zu reanimieren versuchte. Das Verdikt des deutschen Gerichts erregte viel Aufsehen in der Presse. Es inspirierte zu engagierten Stellungnahmen ausgewiesener Experten und manch Anderer, die zwischen Zustimmung über kritischer Distanz und Ablehnung bis zum Katastrophenalarm um Europas Einheit rangierten. Dies breit gefächerte Interesse ist umso bemerkenswerter, als es beim publizierten Thema um einen kaum messbaren, wenn nicht gar spekulativen Hoheitsakt aus der komplizierten Konvergenz europäischer (ESZB, EZB und EuGH) und nationaler (Bundestag, Bundesministerien und BVerfG) Schaltstellen geht.