Wenn man zwei Schichten der Kohlenstoffvariante Graphen gegeneinander verdreht, fließt Strom verlustfrei hindurch. Der Schlüssel zu einer Materialrevolution?
Für Elektronen ist das Material das reinste Paradies: Sie flitzen einfach so hindurch, vorbei an all den Atomrümpfen. Normalerweise geht den Elektronen irgendwann die Puste aus, aber hier reicht ihre Energie auf ewig. Billionenfach strömen sie durch das, was Physiker einen Supraleiter nennen.
Er überträgt Strom widerstandslos, ohne die sonst üblichen Verluste – und könnte damit unsere Welt verändern. Aber bisher funktioniert der Zauber nur bei extremen Minusgraden, meist im untersten Geschoss der Temperaturskala bei minus 273 Grad Celsius. Nur dort halten Atome so still, dass per Quantenphysik gekoppelte Elektronen zwischen ihnen hindurchsausen können.
Schon lange träumen Physiker von einem Material, das auch bei Plusgraden keinen elektrischen Widerstand aufweist. Aber aus welchen Elementen müsste solch ein Raumtemperatursupraleiter bestehen, und in welche Anordnung müsste man die Atome bringen? Seit 30 Jahren ist das eine der großen Fragen der Physik.
Diamantpressen und supraleitendes Graphen
Derzeit sehen sich die Experten einer Antwort so nah wie schon lange nicht mehr, aus zwei Gründen. Zum einen diskutieren die Forscher begeistert über Experimente mit so genannten Diamantpressen, die spezielle chemische Verbindungen extrem stark zusammendrücken. Mit ihnen haben Physiker zuletzt beeindruckende Temperaturrekorde für die Supraleitung aufgestellt.
Zum anderen stürzen sich Forscher auf einen schon länger bekannten Stoff: Graphen ist ein so genanntes 2-D-Material; es besteht nur aus einer hauchdünnen Schicht, in der Kohlenstoffatome ein Bienenwabenmuster bilden. 2018 stapelten Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology zwei Ebenen des Materials und verdrehten sie um exakt 1,1 Grad gegeneinander. Verblüfft stellten sie fest, dass Graphen dadurch zum Supraleiter wird.