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Schattenregierung? - Wie die Atlantik-Brücke die BRD lenkt

Gesellschaft
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Euro-Rettungspolitik, NSA-Skandal und Ukraine-Krise, TTIP-Affäre sowie Zentralisierung und Militarisierung der EU - im Schulterschluss mit der BRD setzen die USA Abkommen um Abkommen eine ihren Interessen gemässe politische Ordnung globalen Anspruchs in die Realität um.

Anstatt Debatten über aktuelle Themen und Skandale zu führen, erklärt die Bundeskanzlerin, sie wolle mit den Deutschen über das gute Leben diskutieren. Es ist demnach also Merkels erklärte Absicht, die Bürger politisch zu sedieren.

ZDF hat neues Kompetenzfeld

Und wie reagieren die Medien? Anstatt zu kritisieren, schreiben sie heute dort schön, wo sie früher Skandale enthüllen und ihre konstituierende Funktion in einer Demokratie als Watchdog wahrnehmen konnten. Allen voran der öffentlich-rechtliche Sender ZDF hat ein neues Kompetenzfeld besetzt: Er lässt sich quasi im Gegenzug für üppige Gebührenfinanzierung zum Wegbereiter einer Politik degradieren, die Positionen nicht mehr in parlamentarischen Debatten formuliert, sondern in Exklusivzirkeln mit semigeheimer Struktur. Für den Mainstream in Sachen USA hierzulande maßgeblich verantwortlich ist der Berliner Transatlantik Think Tank Atlantik-Brücke (AB). Die Gründung des deutschen Ablegers der US-Organisation übernahm 1952 Eric M. Warburg, um deutschen und amerikanischen Führungskräften eine Plattform für einem vertraulichen Dialog über außen-, sicherheits-, wirtschafts- und innenpolitische Fragen zu bieten. Zum Verständnis: Erics Großvater Paul, Sprössling einer deutschen Familie, unterzeichnete 1913 neben weiteren Bankern sowie Präsident Woodrow Wilson den Federal Reserve Act, das Gesetz also, mit dem private Banken unter der Abkürzung FED als Notenbank für die USA tätig werden konnten.

Nepotismus pur

Die AB-Mitgliedschaft kann nur auf Empfehlung und Kooption durch den Vorstand erfolgen. So wird garantiert, dass man unter Gleichgesinnten bleibt, ganz wie es dem Charakter von Elitezirkeln nun einmal entspricht. In den 60 Jahren seit Bestehen ist der Verein zu einer der mächtigsten Pressuregroups der BRD herangereift. Ein Blick auf die Mitgliederliste zeigt, wie weit die Grenzen zwischen Wirtschaft, Politik und Medien bereits verschwommen sind. Da stehen ex- und amtierende Politiker aller Parteien (bis auf die Linken) neben dem Leiter der ZDF-Redaktion Außen- und Innenpolitik, Theo Koll, sowie ZDF-Anchorman, Claus Kleber, der auch Kuratoriumsmitglied ist. Zu Kai Diekmann, Chefredakteur der auflagenstärksten Boulevard-Zeitung Europas, BILD, gesellte sich lange Zeit Josef Joffe, der als Herausgeber des Wochenblatts “Die Zeit” auch aktiv in politisch verwandten Vereinen ist, wie etwa der American Academy in Berlin oder dem Congress of Cultural Freedom (CCF). Einen Schatten auf den Zirkel wirft, dass unter den Mitgliedern rechtskräftig verurteilte Rüstungslobbyisten wie Karl Heinz Schreiber und Dieter Holzer sowie die Doktortitelfälscher Silvana Koch-Mehrin und Karl-Theodor zu Guttenberg auftauchen. Dies wird aber wettgemacht durch Edelgard Bulmahn (SPD), Bundesministerin a.D. und stellvertretende AB-Vorsitzende, Eckhardt von Klaeden (CDU), Ex-Staatsminister und heutiger Chef der Abteilung Politik und Außenbeziehungen der Daimler AG, Katrin Göring Eckardt, die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und so fort. Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel sowie Altbundeskanzler Helmut Schmidt sind gewissermaßen Sahnehäubchen auf dem Mitgliederkuchen.

Politisches Agenda Setting

Nun kann niemand etwas dagegen haben, dass ein Verein “die transatlantische Partnerschaft” stärken will. Und so legt AB-Chef Friedrich Merz (CDU) zunächst Wert darauf, Meinungsbildung nach innen zu betreiben. Er untertreibt. Denn es ist kaum zu behaupten, dass allein die mediale Präsenz von Helmut Schmidt und seine Herausgeberfunktion bei “Die Zeit”, keinen Einfluss auf das Setzen oder die Diskussion politischer Themen und so auf die öffentliche Meinungsbildung im Lande hätte. Ein anderes Beispiel wirft die Frage auf, ob AB-Mitglieder in ZDF-Führungspositionen stets klare Trennlinien zwischen Beruf und privatem Vereins-Engagement ziehen. Es geht um den kürzlichen Skandal in der Show „Deutschlands Beste“ in dem mit rund 1,8 Milliarden Euro Gebührengeldern finanzierten ZDF. Gerade hat sich gezeigt, dass sich die Redaktion nicht etwa an Umfrage-Ergebnisse darüber hielt, wer denn die bedeutendsten und beliebtesten Deutschen seien, sondern fingierte. Wer hatte tatsächlich die Finger im Spiel, so dass die AB-Mitglieder Angela Merkel und Helmut Schmidt, die Hitliste der beliebtesten Deutsche anführen konnten? ZDF-Star Kleber zeigt sich überrascht und ließ per Twitter vernehmen: „ ZDF-Ranking-Show Deutschlands Beste hat manipuliert. Unfassbar!”

Die Geheimgesellschaft produziert Schlagzeilen

Aber auch andere AB-Vereinsmitglieder sorgen für Schlagzeilen. So forderte 2011 Ex-AB-Geschäftsführerin, Beate Lindemann, in einem Rundbrief Mitglieder auf, sich an der Anruf-Aktion der „BILD“-Zeitung unter dem Titel „Guttenberg-Entscheid!“ zu beteiligen und sich so für den Verbleib des Karl-Theodor zu Guttenberg im Amt des Bundesverteidigungsministers auszusprechen. Die Öffentlichkeit wusste zum Zeitpunkt der Aktion nicht, dass zu Guttenberg im “Young Leaders-Programm” der AB ist. Aus diesem Netzwerk gingen bereits Jens Weidmann hervor, der beim Internationalen Währungsfonds (IWF) tätig war bevor er Präsident der Deutschen Bundesbank wurde, der Chef der Axel Springer AG, Matthias Döpfner oder Hans Gert Pöttering, der knapp 35 Jahre jung 23. Präsident des Europäischen Parlaments wurde. Das hauseigene Incentive-Programm eignet sich gut, um aufzuzeigen, auf welche Weise sich die Mitglieder verpflichtet fühlen, unter denen übrigens mehr als die Hälfte der Dax 30-Unternehmen ist sowie mehrere Politiker bis hinauf in Regierungsverantwortung. Dem seit 41 Jahren existenten Nachwuchsprogramm gehören heute über 1500 deutsche und amerikanische Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens an.

Eine Hand wäscht die andere

Wie die Youngsters neben Empfehlungen zu Image, Posten und Einfluss gelangen? Ein Blick in Zeit Campus Nr. 03/2010 zeigt es. Die Titelgeschichte lautete: “100 Studenten von denen wir noch hören werden”. Nach eigenem Text habe die Redaktion das Unmögliche versucht, nämlich eine Prognose abzugeben, welche Studenten unser Land in den kommenden Jahrzehnten umkrempeln werden. Wochenlang seien recherchiert, Nobelpreisträger und Personalberater befragt worden. Dies ist zumindest zum Teil geblufft und es sei die Frage erlaubt, wie es etwa R. Retter, der als Referent für Klimafragen für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) tätig ist, in das Ranking geschafft hat? Ein Blick in die Young Leader-Kartei gibt Aufschluss. Hier ist das damals 27 Jahre junge Nachwuchstalent ausfindig zu machen. Nebst der Zusatzinformation, dass er gleichzeitig an seiner Habilitation schreibe. Sieht so Mitglieder-Karriere-Promotion à la AB unter Schützenhilfe des Hauses Zeit aus? Wie auf den Treffen der AB aber multilaterale Politik gemacht, über die Mediatisierung von Themen entschieden und auf diese Weise der Umsetzung von US-Interessen der Weg bereitet wird, zeigt gerade die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Sie biete die Gelegenheit, gemeinsame Führungskompetenz durch das Aufstellen globaler Wettbewerbsregeln zu beweisen, heisst es bei der AB. TTIP war lange nur Insidern bekannt und geht es nach EU-Handelskommissar und Verhandlungsführer Karel De Gucht, soll sich daran auch nichts ändern. In der Brüsseler Generaldirektion für Handel, gehen seit Monaten Lobbyisten ein und aus. 560 Treffen sind dokumentiert: 22 Mal warben Verbraucher- oder Umweltschützer für ihre Positionen. Die übrigen Treffen reservierte der Belgier internationalen Wirtschaftsvertretern, ermittelte die Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory (CEO).

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Bild: Pixabay/geralt