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Ansprache und Antworten auf Medienfragen von Sergej Lawrow, Außenminister der Russischen Föderation, während einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen der russischen Diplomatie im Jahr 2022, Moskau, 18. Januar 2023

Sehr geehrte Kollegen,

guten Tag!

Wir treffen uns traditionell am Anfang des Jahres, um über die Ergebnisse und Ereignisse des vergangenen Jahres zu sprechen. Es war ein sehr nicht einfaches, in gewissem Maße einmaliges Jahr. Es zeigten sich tiefe Tendenzen in der Geopolitik und in internationalen Bestrebungen der führenden Staaten, die zuvor seit mehreren Jahrzehnten reiften.

Die westlichen Kollegen wollten aus der Ukraine und der Entwicklung um die Ukraine das größte Medien-, politische und wirtschaftliche Ereignis machen, wobei der Russischen Föderation zur Last gelegt wurde, dass die „Aggression“ gegen die Ukraine der Grund aller Probleme der Weltwirtschaft sei. Ich werde nicht ausführlich über die Dementierung dieser Behauptungen sprechen. Die Statistik, darunter von der Weltbank, IWF, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO und anderen internationalen Strukturen, zeugt eindeutig davon, dass die Krise lange vor Beginn der militärischen Spezialoperation heranreifte.

Russlands Präsident Wladimir Putin führte mehrmals Angaben an, die zeigen, wie negative Erscheinungen in der Weltwirtschaft begannen, vor allem wegen der egoistischen Position der USA und ihrer Verbündeten.

Die jetzigen Ereignisse in der Ukraine sind das Ergebnis einer jahrelangen Vorbereitung der USA und ihrer Satelliten auf einen globalen Hybrid-Krieg gegen die Russische Föderation. Das verheimlicht niemand. Wenn man unvoreingenommene westliche Vertreter, darunter Politologen, Wissenschaftler, Politiker liest, kann man sich darin vergewissern. Vor einigen Tagen gab es einen Artikel des Professors der Columbia University, Ian Bremmer. Er schrieb: „Wir sind nicht in dem Zustand eines „kalten Kriegs“ mit Russland. Wir sind in einem „heißen Krieg“ mit Russland. Die Nato kämpft dagegen nicht unmittelbar. Wir kämpfen über die Ukraine“. Ein ziemlich offenes Eingeständnis. Diese Schlussfolgerung liegt auf der Oberfläche. Es ist merkwürdig, dass versucht wird, sie irgendwie zu widerlegen. Kroatiens Präsident Zoran Milanovic sagte, dass es der Krieg der Nato sei. Offen, ehrlich. Vor einigen Wochen schrieb Henry Kissinger (bevor er im letzten Artikel dazu aufrief, die Ukraine in die Nato aufzunehmen) eindeutig, dass die Entwicklung in der Ukraine ein Zusammenstoß, Wettbewerb von zwei Atommächten um die Kontrolle über dieses Gebiet ist. Es ist ziemlich klar, worum es geht.

Unsere westlichen Partner sind nicht aufrichtig, wenn sie mit Schaum am Mund beweisen, dass sie gegen Russland nicht kämpfen, sondern nur der Ukraine helfen, die „Aggression“ zu bekämpfen, die territoriale Integrität wiederherzustellen. Die Menge der Unterstützung zeigt eindeutig, dass der Westen vieles auf seinen Krieg gegen Russland setzte. Das ist klar.

Die Ereignisse um die Ukraine stellten das herangereifte Streben der USA, die Festigung ihrer Positionen in der Welt nicht mit legitimen Mitteln zu erreichen, und zu illegitimen Methoden der Gewährleistung ihrer Dominanz zu übergehen, fest. Es wird alles eingesetzt. Es wurden Mechanismen zerstört (nicht danach, was wir in der Ukraine sehen), die vom Westen mit den USA an der Spitze geschaffen wurden und als heilig galten. Der freie Markt, fairer Wettbewerb, freies Unternehmertum, Unantastbarkeit des Eigentums, Unschuldsvermutung – alles, worauf das westliche Modell der Globalisierung beruhte, stürzte auf einmal. Gegen Russland und gegen andere „unerwünschte“ Länder werden Sanktionen angewendet, die diesen Grundlagen und Mechanismen widersprechen. Es ist klar, dass sie morgen bzw. übermorgen gegen jeden Staat eingesetzt werden können, der nicht blind US-Befehle erfüllen wird.

Die Europäische Union unterwarf sich vollständig dem US-Diktat (man muss darüber nicht lange sprechen). Der Höhepunkt dieses Prozesses, der sich innerhalb einiger Jahre bildete, war die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung der Nato und EU über Zusammenarbeit am 10. Januar dieses Jahres. Dort steht direkt geschrieben, dass die Allianz und die EU die Aufgabe haben, alle politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln im Interesse dieser „goldenen Milliarde“ zu nutzen. Es steht so direkt – im Interesse einer Milliarde Staatsbürger der Nato und der EU. Die Anderen sind laut dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, „Dschungel“, der dem „blühenden Garten“ bei der Entwicklung stört. Deswegen soll man ihn neu formattieren, an die eigenen Bedürfnisse anpassen, in Kolonien des neuen Typs verwandeln und von dort Ressourcen mit neuen Methoden erbarmungslos auspumpen. Die Mittel sind bekannt: Dämonisierung, Erpressung, Sanktionen, Drohung mit Gewalt und vieles anderes. Jetzt ist der Kurs des Westens auf Zerstörung der traditionellen Verbindungen historischer Partner in verschiedenen Regionen, ihre Fragmentierung und Destabilisierung mehr zu bemerken. Wir sehen das auf dem Balkan, im postsowjetischen Raum, insbesondere wenn man die Handlungen der USA, ihrer Kunden und Helfer in Zentralasien, Transkaukasien analysiert.

Die ganze Entwicklung um die Ukraine reifte seit langem. 2004 fand der erste Maidan statt. Damals verlautete seitens europäischer offizieller Personen zum ersten Mal, dass die Ukraine wählen soll, mit wem sie ist – mit dem Westen oder mit Russland. Seit dieser Zeit wurde diese „Entweder-oder“-Logik kontinuierlich in der Politik des Westens gegenüber dieser Region durchgesetzt. Jene, die eine „falsche“ Wahl machten und damit rechneten, dass ihre historischen Verbindungen, Verwandtschaftsverbindungen, Traditionen und religiöse Überzeugungen sie mit der Russischen Föderation (obwohl sie in der Ukraine wohnen) verbinden, wurden zunächst mehr oder weniger delikat, dann erbarmungslos aus dem politischen Leben ausgeschlossen, es wurden Maßnahmen der strafrechtlichen Verfolgung angewendet. Das umfasste Mord an ungehorsamen Journalisten und Politikern, Sperrung der Medien, die eine offizielle Position nicht widerspiegeln. Schaffung eines polizeilichen und nazistischen Staates war in vollem Gange. Jetzt wurde sie de facto mit Segen des Westens abgeschlossen. Alternativen – entweder mit dem Westen oder mit Russland – waren notwendig, um jene festzustellen, die nicht mit dem Westen, sondern gegen den Westen sind. Sie wurden aktiv bestraft.

Zurück zur Erklärung der Nato und der EU. Ein interessantes Dokument. Zwei Strukturen wurden zu einem „Bündnis der Demokratien gegen Autokratien unter Bedingungen eines globalen Wettbewerbs“ erklärt. Für die ganze Welt wurde eine im Voraus konfrontative Agenda ausgerufen. Dabei verlor Europa seine Selbstständigkeit. Eine gemeinsame Erklärung versetzt die Europäer unmittelbar in eine unterwürfige Position gegenüber der Nato. Sie enthält ihre Pflicht, die Bedienung der US-Interessen bei der geopolitischen Abschreckung Russlands und Chinas zu gewährleisten. Es wurde das Ziel erklärt (es war allen bekannt, aber wurde jetzt wieder einmal dokumentiert) – das Erreichen einer globalen Überlegenheit der Allianz mit den Amerikanern an der Spitze.

Die Nato beschränkt sich nicht mit der Organisierung des Lebens des europäischen Kontinents. Bereits mit dem Madrider Gipfel im Juni 2022 wurde eine globale Verantwortung der Militärallianz, insbesondere gegenüber der Asien-Pazifik-Region ausgerufen, die die Nato Indo-Pazifik-Region nennt. Es ist klar, dass es hier um einen Versuch geht, mit Indien zu kokettieren, um zusätzliche Schwierigkeiten bei den Beziehungen zu China zu bringen. Es wurde das Motto der Unteilbarkeit der Sicherheit im Euroatlantik und Indo-Pazifik-Region ausgerufen. Ein Wortspiel. Seit 1990er-Jahren wurde in der OSZE und im Russland-Nato-Rat die Anhänglichkeit an das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit festgeschrieben.  Das bedeutete eine gleiche Sicherheit für jeden Staat und die Verpflichtung, die eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit der anderen zu festigen. Nun wurde der Begriff aus dem Kontext genommen, ihm wurde neue Bedeutung zugeschrieben – die Unteilbarkeit der Interessen der Nato und der Indo-Pazifik-Region. Der Unterschied ist bemerkbar.

In der Indo-Pazifik-Region, wie die Westler sie nennen, wurde der Kurs auf die Schaffung einer Block-Architektur gegen Russland und China genommen. Mit diesem Ziel werden kontinuierlich Mechanismen und Formate der Zusammenarbeit zerstört, die seit Jahrzehnten um ASEAN auf Prinzipien der Gleichberechtigung, Suche nach Konsens, Gleichgewicht der Interessen geschaffen wurden. Stattdessen werden militärische Blöcke gebildet. Ein anschauliches Beispiel ist AUKUS. Das ist eine angelsächsische Allianz in Asien (dazu gehören die USA, Großbritannien und Australien). Da wird Japan aktiv herangezogen. Der jüngste Besuch des Premierministers Fumio Kishida in Washington endete mit der Bestätigung dieses Kurses. Japan geht wieder den Weg der Militarisierung. Sowie ich verstehe, sollen Artikel der Verfassung verändert werden, die das verhindern. Der Prozess läuft.

Ich werde nicht ausführlich über die Handlungen des Westens in anderen geopolitischen Richtungen sprechen. Wir stellen heute die Position der USA und des Westens für das Hauptproblem, welche Schwierigkeiten in allen Richtungen bereitet, fest. Kurz gesagt, sieht es ungefähr so aus. Der Kurs Washingtons auf Diktat in internationalen Angelegenheiten bedeutet buchstäblich folgendes: Den Amerikanern ist alles erlaubt, was sie wollen (auch am anderen Ende der Welt). Was sie für notwendig halten, das werden sie auch machen. Alle anderen dürfen nichts ohne US-Zustimmung machen, auch als Antwort auf direkte Sicherheitsbedrohungen, die die USA selbst an den Grenzen der Länder schaffen.

Ebenso wie Napoleon fast ganz Europa gegen das Russische Reich mobilisierte, wie Adolf Hitler die Mehrheit der europäischen Länder ergriff und sie gegen die Sowjetunion schickte, bildeten die USA eine Koalition aus fast allen Europäern, die zur Nato und EU gehören, und führen über die Ukraine „mit einer Vollmacht“ einen Krieg gegen unser Land mit der gleichen Aufgabe – eine endgültige Lösung der „russischen Frage“. Hitler wollte endgültig die „jüdische Frage“ lösen.

Jetzt sagen westliche Politiker (nicht nur aus dem Baltikum, Polen, sondern auch aus mehr vernünftigen Ländern), dass Russland eine strategische Niederlage erleiden soll. In einigen Zeitungen machen sich Politologen aktiv Gedanken darüber, dass man Russland entkolonisieren soll. Weil unser Land angeblich zu groß sei und ihnen störe. Ich las vor einigen Tagen einen Artikel in „The Telegraph“, wo zur Befreiung von Abchasien, Südossetien, Transnistrien aufgerufen wird, wobei Karelien, Königsberg und Kurilen für Verhandlungen gelassen werden sollen. Es ist klar, dass es ein Tabloid ist. Wir lesen erzwungen „gelbe Presse“, weil sie manchmal auf die Titelseiten der Nachrichten kommt.

Man hört viele solche Erklärungen, darunter von unserer Nicht-System-Opposition. Niemand von westlichen Politikern widerlegt das. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron brachte als Zusatz zu seinem Projekt der Europäischen politischen Gemeinschaft, die direkt als Format ausgerufen wird, wo alle Europäer außer Russland und Belarus eingeladen werden, eine neue Idee auf – eine Konferenz der europäischen Staaten einzuberufen. Es wurde vorgeschlagen, dorthin Mitglieder der EU, Teilnehmerstaaten der Östlichen Partnerschaft (Georgien, Armenien, Aserbaidschan), Moldawien, Ukraine einzuladen. Ich habe Zweifel daran, dass Belarussen eingeladen werden.  Es wurde aber über die EU, die Länder der Östlichen Partnerschaft plus Auswanderer aus Russland, die sich im Ausland mit aktiver politischer Tätigkeit befassen, gesagt. Es wurde eingeräumt (nicht in der Präsentation Macrons, sondern in weiteren Kommentaren), dass zur Konferenz der europäischen Staaten einzelne Regionen Russlands eingeladen werden können, die Verbindungen zu Europa beibehalten wollen. Meines Erachtens ist klar, worum es geht. Die Situation ist gar nicht schwarz-weiß, wie die westlichen Kollegen sie darstellen wollen, sondern spiegelt den Kurs auf globale Dominanz, strikte Unterordnung von allen unter Androhung einer „Strafe“ wider.


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Und hier die israelische Reaktion auf die  russische Ansage  … (Anmerkung der Redaktion)

„Wir sind schockiert und entsetzt über den beschämenden Vergleich, den der russische FM Lawrow zwischen der Unterstützung des Westens für die Ukraine und Hitlers Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen Juden in der Schoah. Das ist Holocaust-Verzerrung auf ihrer grundlegendsten Ebene.“ Twitter/European Jewish Congress


Niemand von westlichen Politikern spricht über etwas außer Sanktionen. Vor kurzem drohte Ursula von der Leyen in Davos wieder Russland und Belarus mit neuen Sanktionen. Sie wissen angeblich, welche Sanktionen man einführt, wie man die russische Wirtschaft erstickt, damit es in Rezession für Jahrzehnte gerät. Darum geht es. Es gibt so einen Ausdruck – Masken sind weg. Seit vielen Jahren wurden im UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegenüber einem jeweiligen Land, das das Völkerrecht und eigene Verpflichtungen verletzte, besprochen. Jedes Mal sicherten die Westler, die gewisse Maßnahmen initiierten, zu, dass es sich nicht um Sanktionen handelt, die die Völker und die Bevölkerung bestrafen werden, sondern „gegen Regimes“. Wo sind jetzt diese Versprechen?

Sanktionen gegen Russland werden offen als darauf gerichtet erklärt, dass das Volk eine „Revolution“ gegen die jetzigen Anführer unseres Landes macht. Hier werden schon keine Anstandsregeln eingehalten. Allerdings widerspiegelt diese Reaktion einen vehementen Versuch, mit allen möglichen und auch verbotenen Mitteln die Dominanz der USA und des restlichen Westens zu gewährleisten (den Washington vollständig sich gefügig machte) und das Verständnis, dass sie historisch gegen einen objektiven Verlauf der Ereignisse vorgehen, versuchen, die Bildung einer multipolaren Welt zu stoppen. Das erfolgt nicht auf Beschluss irgendwelcher „Arbeitszimmer am Fluss Potomac“ oder in einer anderen Hauptstadt, sondern auf eine natürliche Weise.

Die Länder entwickeln sich wirtschaftlich. Sehen Sie sich China und Indien (unsere strategischen Partner), die Türkei, Brasilien, Argentinien, Ägypten, viele Länder des afrikanischen Kontinents an. Dort ist das Potential der Entwicklung unter Berücksichtigung der riesengroßen Vorräte von Bodenschätzen riesengroß. Es bilden sich neue Zentren des Wirtschaftswachstums. Der Westen versucht, das zu verhindern, darunter mit Spekulationen an Mechanismen, die zur Bedienung seiner Interessen im Rahmen der von ihm geschaffenen Globalisierung geschaffen wurden. Hier ist die Rolle von US-Dollar als Reservewährung eine der wichtigsten. Deswegen bemühen wir uns, in unseren Kontakten in SOZ, BRICS, GUS, EAWU, bei Kooperation mit den Vereinigungen Asiens, Afrikas, Lateinamerikas, neue Formen des Zusammenwirkens auszuarbeiten, um vom Westen und seinen neokolonialen (jetzt ist es schon klar) Methoden nicht abzuhängen. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte das eindeutig. Die Methoden werden genutzt, um die restliche Welt unter neuen Bedingungen zu berauben. Wir bauen mit unseren zuverlässigen Partnern, Freundschaftsländern solche Formen des Zusammenwirkens, die uns zum Wohle gehen werden. Sie können nicht von jenen beeinflusst werden, die die ganze Welt unterordnen wollen.


Kommentar

Rassist vs. Antisemit?

Josep Borrell fand die Äußerungen von Sergej Lawrow inakzeptabel, der Westen suche nach einer "Endlösung" für die "russische Frage". Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik nannte Lawrows Worte „völlig unangemessen, respektlos und verunglimpfend das Andenken an die sechs Millionen Juden und andere Opfer, die während des Holocaust systematisch ausgerottet wurden“. 

Der Leiter der europäischen Diplomatie glaubt, dass "dies die früheren antisemitischen Äußerungen von Minister Lawrow ergänzt". Laut Borrell „gibt es keine Parallelen zwischen den Verbrechen Nazideutschlands und der internationalen Hilfe für die Ukraine beim Schutz ihres Territoriums und ihrer Bevölkerung vor ungerechtfertigter Aggression“.

Borrell sollte sich lieber an seine Rassisten-Aussagen zum Garten Eden und der Wildnis außerhalb erinnern - nicht die einzige übrigens in dieser Hinsicht. Und dabei auch nicht vergessen dass im Weltkrieg doppelt soviele Russen wie Juden systemisch vernichtet wurden - von einem Land, dass laut EU nun wieder Panzer gegen Russland schicken soll. 

Und wenn man die russische Sicht versuchen würde zu verstehen, könnte man fast 1:1 auch erwidern: 

"Russland schützt nur seine historischen Territorien und deren Bevölkerung vor einer ungerechtfertigten Aggression seitens der Ukraine, die mithilfe der EU nun schon seit 8 Jahren andauert und nur entstand, als die EU unter der Fuchtel der USA 2014 u.a. auch waschechte Nazis, Rassisten und Antisemiten in die ukr. Regierung brachte und diesen generell völlig verfassungswidrigen Putsch auch noch tatkräftig unterstütze."

Diesen Standpunkt könnte die EU auch beginnen zu sehen und dann nach Kompromissen suchen zur Lösung der heutigen Gewaltspirale. 

Tut die EU aber nicht, denn sie wollen scheinbar den totalen Sieg für den Militärraum Ost unter der NATO mithilfe von einem Staat der anerkannte Nazis und SS-Mitglieder als Helden der Nation feiert und teilweise deren Symbolik benutzt und Straßen und Plätze nach ihnen benennt - und jene Bürger systematisch verfolgt, einschüchtert oder gar bestraft, welche meinen, ihre sowjetischen Vorfahren waren die Helden der damaligen Zeit und nicht die Faschisten der Westukraine und Deutschlands. 

Vergleiche drängen sich dabei für Borrel dabei also nicht auf? Okay, dann ist das eben so... 

Netzfund auf Telegram/ Russländer & Friends


So sind meine Einschätzungen des vergangenen Jahres. Am wichtigsten ist, dass die Prozesse, die dieses Jahr gesehen hat, nicht gestern entstanden, sondern vor vielen Jahren. Sie werden noch andauern. Es wird die Zeit  zur Bildung einer multipolaren Welt, endgültige Bildung der Beziehungen, die notwendig sind, damit in der Welt Demokratie, Gerechtigkeit herrschen und das Prinzip der UN-Charta (Respekt der souveränen Gleichheit aller Staaten) eingehalten wird. Die UN-Charta ist eine gute Basis. Als sie angenommen wurde, war sie ein revolutionäres Dokument. Leider wurden alle richtigen Prinzipien vom Westen verzerrt. Seitens des Westens gab es kein Respekt des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten, Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, friedliche Regelung der Streitigkeiten. Sehr viele hunderte Male nach der Schaffung der UNO nutzten die USA ihre Streitkräfte im Ausland. In den meisten Fällen als grobe Verletzung der Charta der UNO.

Der Prozess der Bildung einer multipolaren Weltordnung wird lange dauern. Das wird eine bestimmte historische Epoche einnehmen. Wir sind gerade in diesem Prozess. Manchmal sehen die unmittelbaren Teilnehmer der Ereignisse solchen Ausmaßes nicht alles gleich, weshalb ständige Kontakte miteinander, Austausch von Einschätzungen und Eindrücken für uns sehr wertvoll sind. Das betrifft nicht nur unsere Partner in anderen Ländern, sondern auch Kollegen aus den Medien. Ihre Beobachtungen und Fragen, die sie stellen möchten, sind für uns nützlich.

Frage: Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass in diesem Jahr Verhandlungen über die Ukraine zwischen Russland und den führenden Ländern des Westens mit den USA an der Spitze organisiert werden können? Welche Fragen der Gewährleistung der Sicherheit im Kontext der Ukraine-Regelung möchte Russland auf den Tisch der Verhandlungen legen? Lassen Sie die Wahrscheinlichkeit zu, dass in diesem Jahr eine aktive Gewaltphase gestoppt wird?

Sergej Lawrow: In Bezug auf eine aktive Gewaltphase haben unsere Militärs diese Fragen mehrmals kommentiert. Russlands Präsident Wladimir Putin bestätigte wieder einmal, dass die militärische Spezialoperation nicht ausgedachte und nicht einfach so genommene Ziele hat, sie werden durch indigene und legitime Sicherheitsinteressen der Russischen Föderation, ihre Positionen in der Welt, vor allem in unserem engsten Umfeld bestimmt.

In der Ukraine, wie auch in jedem anderen Gebiet, das an die Russische Föderation grenzt, soll es keine militärische Infrastruktur, die eine direkte Bedrohung für unser Land darstellt, Diskriminierung, Verfolgung unserer Landsleute geben. Sie erwiesen sich durch Schicksal als Staatsbürger des ukrainischen Staates, wollen aber ihre Sprache, Kultur und Traditionen beibehalten, in diesen Traditionen ihre Kinder in voller Übereinstimmung mit der Verfassung der Ukraine erziehen, wo festgeschrieben ist, dass sie eine freie Nutzung und Schutz der russischen und anderer Sprachen der nationalen Minderheiten garantiert. Die russische Sprache ist dort extra betont. Diese Verfassung bleibt in Kraft.

Wir verschickten an die Medien Materialien, die Artikel der Verfassung und dann konkrete Verpflichtungen der Ukraine zu internationalen Übereinkommen aufzählen, sowie eine große Liste der Gesetze, die als Verstoß gegen die Verfassung und internationale Verpflichtungen des ukrainischen Staates angenommen wurden. Ich war über das Interview des Präsidenten der Ukraine, Wladimir Selenski, für das ZDF im Oktober 2022 erstaunt. Er sagte, dass wenn man Russland es ermöglicht, zu siegen, werden andere große Länder beschließen, dass sie es auch „dürfen“. Und es gebe ausreichend solche Staaten auf verschiedenen Kontinenten. Deswegen würden sie angeblich kleinere ersticken und untereinander alles andere aufteilen. Wladimir Selenski betonte, dass er für ein anderes Szenario sei: Wenn jeder auf dem Planeten weiß, dass unabhängig davon, wo er wohnt, er gleiche Rechte hat und ist ebenso geschützt wie jeder Mensch in der Welt. Das sagte der Mann, der im November 2021 sagte, dass im Osten „Einzelwesen“, keine Menschen wohnen. Noch früher, im August 2021 sagte Selenski, dass wenn sich irgendwelche Staatsbürger der Ukraine sich als Russe empfinden und auf Russisch denken, Russe bleiben wollen, sollen sie für die Zukunft ihrer Kinder und Enkel nach Russland abhauen. Nun sagte er, dass er davon träume, dass alle gleich sind und jeder so wohnen kann, wie er will. Es ist klar, dass diese „schönen“ Worte für den Westen gesagt werden, doch das alles beschreibt sehr gut das jetzige Regime. Es ist klar, warum wir nicht auf die Basisziele der militärischen Spezialoperation verzichten können.

Was die Aussichten betrifft, wurde das schon Dutzende Male besprochen und erörtert. Ich will keine offensichtlichen Fakten wiederholen. Seit März 2021 unterstützen wir die Bitte der Ukraine über die Verhandlungen. Zudem wurde der Entwurf der Regelung, der von diesem Land vorgeschlagen wurde, nachgebessert. Aber der Ukraine wurde gesagt, dass es noch zu früh sei. Seit Frühjahr 2022, den ganzen Sommer bis Anfang Herbst, sagten offizielle westliche Vertreter, dass es noch zu früh ist, Verhandlungen aufzunehmen. Man soll dem Land mehr Waffen geben, damit es Verhandlungen aus stärkeren Positionen beginnt. Der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte direkt vor einigen Tagen, dass „die Ausrüstung der Ukraine ein Weg zum Frieden ist“. Wladimir Selenski bringt irgendwelche plumpe Initiativen aus zehn Punkten auf: Lebensmittel-, Energie- und Biosicherheit, Abzug der russischen Truppen aus allen möglichen Gebieten, Buße der Russischen Föderation, Tribunal und Verurteilung.

Von Verhandlungen mit Wladimir Selenski kann keine Rede sein. Denn er verbot auf Gesetzesebene Verhandlungen mit der russischen Regierung. Die ganze westliche Plauderei, dass sie bereit seien und wir nicht, das stimmt nicht.

Sie fragten, welche Aussichten es bei den Verhandlungen zwischen Russland und dem Westen bei der Ukraine-Frage gibt. Wir werden bereit sein, auf ernsthafte Vorschläge zu reagieren und sie zu betrachten. Bislang sehen wir keine solchen Vorschläge. Wir hören Beschwörungen in den westlichen Hauptstädten, dass „kein Wort über die Ukraine ohne die Ukraine“ gesagt werden soll. Das ist alles Blödsinn. In der Tat entscheidet der Westen für die Ukraine. Sie verboten doch Selenski, sich mit Russland Ende März 2022 zu einigen, als diese Vereinbarung schon fertig war. Es heißt, dass der Westen entscheidet. Er beschloss ohne die Ukraine für die Ukraine, dass es nicht die Zeit dafür ist. Jetzt wird dasselbe gesagt – sie brauchen mehr Waffen und die Russische Föderation ausschöpfen.

Ich weiß nicht, wer sich dort mit der militärischen Planung befasst. Es gab ein Treffen des CIA-Chefs William Burns mit dem SWR-Chef Sergej Naryschkin. Dieses Treffen wurde von US-Präsident Joe Biden vorgeschlagen, und Russlands Präsident Wladimir Putin willigte sich darin ein. Es ist zustande gekommen. Es wurden dort keine Offenbarungen gesagt.

Der Westen sagt in sporadischen, seltenen Kontakten, die auf einem gewissen Niveau stattfinden, im Prinzip nichts, was außer Rahmen seiner öffentlichen Auftritte hinausgeht. Unsere Position dazu ist gut bekannt. Mit dem Westen nur über die Ukraine sprechen – das hat keinen Sinn. Er nutzt die Ukraine zur Zerstörung des Sicherheitssystems, das im Euroatlantik seit vielen Jahren existierte und auf Prinzipien des Konsens der Unteilbarkeit der Sicherheit, Lösung aller Fragen via Dialog und Zusammenarbeit beruhte. Die Verkörperung dieser Ideale war OSZE, die jetzt vom Westen beharrlich beerdigt wird, genauso wie er einst den Europarat beerdigte. Die Organisationen, die für Dialog und Suche nach Konsens geschaffen wurden, werden Kompromisse jetzt genutzt, um den Kurs auf eine totale Dominanz der USA (und unter ihrer Leitung des ganzen Westens) überall zu fördern. Mit ihnen darüber sprechen, dass man mit der Ukraine etwas „erfinden wird“, und alles andere bei ihnen sein wird? Nein. Man braucht ein faires Gespräch.

Ich denke, dass es auf dieser Etappe für uns nicht notwendig ist, Initiative in den Richtungen zu zeigen, die vom Westen selbst geschlossen wurden, darunter wie im Europarat, auf den alle so stolz waren. Zudem gibt es im Europarat einige Dutzend Konventionen, wo es nicht notwendig ist, Mitglied des Europarats zu sein, man kann sich daran beteiligen. Der Westen beschloss auch hier, Russland zu canceln und diskriminierende Hindernisse für die Teilnahme unserer Vertreter bei der Arbeit entsprechender Organe dieser Konventionen aufzubauen, die für Nichtmitglieder des Europarats offen sind. In dieser Situation werden unannehmbare Bedingungen für die Teilnahme unserer Vertreter an den Übersichtsveranstaltungen gestellt. Mit solchen Bedingungen werden wir uns damit nicht abfinden. Vor kurzem stiegen wir aus diesem Grund aus dem Übereinkommen zur Bekämpfung der Korruption aus. Das bedeutet nicht, dass wir nicht mehr gegen Korruptheit kämpfen, sondern dass wir nicht in einem entsprechenden Organ auf einem Klappstuhl sitzen und die westlichen Leviten hören wollen, wenn sie in unseren Procedure-Rechten beeinträchtigt werden. Ich kann lange Beispiele anführen.

Frage: Es gibt eine Meinung unter vielen Europäern, dass Russland nicht seine besten Seiten zeigte, als es beschloss, auf Kriegshandlungen einzugehen. Damit tritt es als andere imperiale Länder wie die USA auf. Sie zerbombten fast die Hälfte des Planeten, wobei das Völkerrecht verletzt wurde, um ein bestimmtes Territorium zu ergreifen. Eine solche Kritik ist in Griechenland, in Zypern und auf dem Balkan zu hören, weil sie auch Opfer einer solchen Politik sind. Sie sind die besten Kenner dieser Fragen. Es wird gesagt, dass es Bedrohungen im Ägäischen Meer seitens der Türkei gegen Griechenland gibt. Wie würden Sie diese Position widerlegen?

Sergej Lawrow: Ich würde sie nicht widerlegen. Ich würde einfach meine Meinung darlegen. Sie sagten, dass Russland nicht seine besten Eigenschaften gezeigt hat, als die militärische Spezialoperation begann. Das ist eine interessante Formulierung.

Wir zeigten unsere „besten Eigenschaften“, nachdem die Sowjetunion zerfallen war. Das sagte mehrmals Russlands Präsident Wladimir Putin. 2001, nach der Wahl zum Präsidenten, war einer der ersten Auslandsbesuche die Reise nach Deutschland, wo er im Bundestag in der deutschen Sprache auftrat. Damit beteiligte sich Wladimir Putin persönlich an einer historischen Versöhnung zwischen Deutschland und unserem Land. Diese Versöhnung kam Ende der 80er- Anfang der 90er-Jahre mit dem Fall der Berliner Mauer und Wiedervereinigung Deutschlands zustande. Das war eine Versöhnung auf der staatlichen und offiziellen Ebene. Wladimir Putin beteiligte sich persönlich an dieser historischen Versöhnung der Russen und Deutschen. Wollen wir nicht daran vergessen, dass Deutschland vor allem dank der Sowjetunion einheitlich wurde. Weil alle anderen Siegermächte gelinde gesagt das nicht sehr anstrebten.

Wir waren bereit und zeigten lange unsere besten Eigenschaften aus der Sicht des Respektes des Völkerrechts und der Suche nach Lösungen, die zum Wohle des ganzen Europas und der ganzen Menschheit funktionieren sollen. Es wurde das Beispiel des ersten ukrainischen Maidans (2004) angeführt, als offizielles Europa sagte, dass die Ukraine wählen muss – es ist mit Europa oder mit Russland. Das war drei Jahre vor der Münchner Rede Wladimir Putins. Wir rechneten damals damit, dass die Vernunft gewinnt und Europa versteht, dass man nicht endlos betrügen und die Nato gen Osten trotz gegebener Versprechen bewegen darf. Man soll das nicht nur wegen der mündlichen Versprechen, sondern auch wegen der in der OSZE festgeschriebenen Verpflichtungen machen. Niemand festigt die eigene Sicherheit auf Kosten der Sicherheit der Anderen. Keine Organisation im OSZE-Raum kann eine dominierende Rolle beanspruchen. Das ist verankert. Da stehen die Unterschriften unter anderem der Staatschefs Griechenlands, der USA und Russlands. Diese Formel, dass niemand die Dominanz in Europa beanspruchen soll, ist in den Dokumenten des Russland-Nato-Rats auf der höchsten Ebene festgeschrieben.

Wenn Sie meinen, dass eine rücksichtslose Bewegung der Allianz trotz unserer offiziellen Proteste die Erfüllung dieser Verpflichtung ist, dann können wir hier kaum einander verstehen. Ich bin sicher, dass Sie nicht dieser Meinung sind und sehr gut verstehen, um was es geht. Sie sagten, dass wir uns ebenso wie andere kaiserliche Länder benehmen. Ich lasse diese Begriffe für Spezialisten und Profis.

Wir sind ein Land, wo sehr viele Völker wohnen, mit fast 300 Sprachen, wo fast alle Weltreligionen vertreten sind, wo es Respekt gegenüber nationalen Traditionen jedes Volkes gibt. Wir als multinationales und multikonfessionelles Land, entwickeln uns seit vielen Jahrhunderten. Im Unterschied von westlichen kolonialen Praktiken unterdrückten wir nie Völker, die zum Russischen Reich gehörten und vernichteten sie nicht, warfen sie nicht in einen Schmelztiegel, damit sie alle ihre Identität verlieren und alle „gleiche Amerikaner“ werden. Sie haben es nicht geschafft, wie sie sich in der letzten Zeit vergewissern können. Bei uns haben alle, die sich dem Russischen Reich angeschlossen hatten, ihre Sitten, Traditionen, Identität und Sprachen bewahrt.

Was das Ergreifen der Gebiete und davon, dass wir gleiche „Instinkte“ wie westliche Reiche haben, betrifft, griffen die USA rund 300 Male in ein fremdes Gebiet ein. In den meisten Fällen, weil die Amerikaner jemanden kränkten – das passiert regelmäßig in Zentralamerika, Karibik oder mit dem Ziel der Beseitigung der Bedrohungen für die Welt und Sicherheit. So hatte Saddam Hussein angeblich Massenvernichtungswaffen. Das erwies sich dann als Lüge. Libyen, wo man Muammar Gaddafi vernichten wollte, der ihnen zufolge kein Demokrat, sondern Diktator war. Es wurden der Irak, Libyen zerstört. Wohltuende Länder, die aus der Sicht der sozialwirtschaftlichen Situation ziemlich gut lebten. In Jugoslawien wurde beschlossen, Balkan zu zerfetzen, darunter zum Vorteil Deutschlands, das sogar nicht wartete, bis die EU einen einheitlichen Kurs entwickelt, und Kroatien und Slowenien anerkannte. Damit wurde ein unumkehrbarer Prozess eingeleitet und alle Möglichkeiten für die Wiederbelebung eines konföderierten bzw. anderen Formats zwischen Balkanstaaten zunichte gemacht wurden. Serbien hemmte sich dagegen, dass sich der Balkan dem Westen unterordnen soll. Was wurde mit Serbien gemacht? Joe Biden sagte als Senator, noch ein Jahr vor Beginn der Nato-Aggression gegen Serbien, im Jahr 1998, dass er für Bombenangriffe gegen Belgrad sei, es vorschlägt, US-Piloten zu schicken und alle Brücken über Drina in die Luft zu sprengen, alle Ölvorräte wegzunehmen. Wie sie sehen, wurden alle Forderungen des Senatoren Joe Biden nach einem Jahr, 1999, erfüllt. Die Zeitschrift „The Time“ titelte damals: „Erzwingung der Serben zum Frieden. Massenbombenangriff eröffnet die Tür zum Frieden“. Und nichts. Keine Tribunale. Niemand dachte daran.

Wie sich auch niemand an Tribunale erinnerte, als die USA in Syrien ohne jegliche legitime Begründung eingriffen und Städte ausradierten. So wurde die Stadt Rakka vollständig vernichtet. Dutzende, hunderte Leichen lagen dort seit Monaten. Ja, dort sagten etwas die internationale Öffentlichkeit, „Ärzte ohne Grenzen“ und „Reporter ohne Grenzen“. Doch es ging nicht um Kriegsgerichtshof. Und als der Internationale Strafgerichtshof plötzlich selbst beschloss, sich mit Untersuchung der Angaben über die von Amerikanern in Afghanistan begangenen Verbrechen zu befassen, sagten die USA, dass sie alle von Sanktionen betroffen werden, und ihnen das Geld weggenommen wird, das sich in US-Banken befand. Das war’s. Dieses hohe Organ der internationalen Justiz schwieg einfach. Man kann natürlich vergleichen.

Aber wir schützten unsere Sicherheit. Aus der Ukraine wurde ein Aufmarschgebiet zum Angriff auf Russland gemacht, wobei unsere Interessen untergraben wurden. Im Asowschen Meer wollte man Marinestützpunkte, vor allem angelsächsische, bauen. Das ist ein ernsthaftes Ding.

Zweitens, ist die Erniedrigung der Russen, denen die Verfassung der Ukraine ihre Rechte garantiert, unannehmbar, weil sie alle unsere Landsleute sind. Sie verbinden mit uns den Schutz ihrer legitimen Interessen, die durch die Verfassung der Ukraine garantiert sind. Und der vom Westen inspirierte Staatsstreich 2014 löste sogar keinen Versuch aus, den gesamtnationalen Dialog in der Ukraine aufzunehmen. Der Westen stellte sich eindeutig auf die Seite des Regimes, das sofort seine antirussischen Ziele, Anhänglichkeit an die Prinzipien der Theorie und Praxis des Nazismus erklärte, als sie Donezk und Lugansk bombardierten. Niemand untersucht diese Verbrechen. Dort gibt es keine Tribunale. Niemand will sie dort bilden. Als dieser Krieg gegen jene, die den Staatsstreich nicht annahmen, gestoppt wurde, wurden die Minsker Abkommen unterzeichnet. Sie wissen, die Deutschland und Frankreich zusammen mit Pjotr Poroschenko, alle drei Unterzeichner (außer Präsident Wladimir Putin) sagten, dass sie es machten, um die Zeit zu gewinnen, damit man den Ukrainern mehr Waffen liefern kann, damit sie sich besser auf die nächste Phase des Kriegs vorbereiten. Wie ist es?

Denken Sie, dass wir auch hier unsere beste Seite nicht gezeigt haben? Wir waren doch die Einzigen, die die Erfüllung dieser Minsker Abkommen anstrebten. Alle anderen waren Betrüger in dieser Situation und folgten dem Rat der Amerikaner.

In Bezug darauf, dass Griechenland und Zypern ebenfalls daran leiden. Ich weiß nicht, woran sie mehr leiden. Wir waren mit Griechen und Zyprioten immer enge Freunde. Wir verzeichneten Änderungen, die mit der Führung der beiden Länder passierten.

Wie Kräfte gesammelt wurden, um gegen uns einen Hybridkrieg aufzunehmen, ist allen bekannt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Menschen, die die Posten der Premierminister, Präsidenten der Länder Europas und zumal der Länder, die lange historische Verbindungen mit der Russischen Föderation haben, die Fakten nicht kennen, sie nicht analysieren können. Die Schlussfolgerung, die ich aus Positionen mache, die europäische Länder vertreten, darunter Griechenland und Zypern: Sie wurden gezwungen, oder stimmten selbst gerne zu, sich dem US-Diktat zu unterordnen. Das ganze Europa wurde von den USA unterordnet. Niemand wird mehr ermöglichen, über strategische Autonomie Europas zu sprechen. Vor einem Jahr sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, als Diskussion aufgenommen wurde, dass man mehr US-Truppen nach Europa schicken soll und er gefragt wurde, ob es auf einer ständigen oder Rotationsbasis sein wird, dass sie in Washington darüber entscheiden werden. Niemand wird Europa fragen.

Wir machten bereits Schlussfolgerungen, werden sie natürlich gegenüber jenen machen, die so schnell Aggression gegen Russland unterstützten.

Dieser Krieg wird irgendwann enden. Wir werden unsere Wahrheit trotzdem verteidigen. Doch wie es dann weitergehen soll, kann ich mir noch nicht vorstellen. Alles wird davon abhängen, welche Schlussfolgerungen Europa macht.

Frage: Nach Beginn der militärischen Spezialoperation in der Ukraine beobachten wir alle, dass es sich real um eine Konfrontation des „kollektiven Westens“ und Russlands und nicht nur handelt. In einer schweren Lage erwiesen sich kleine Länder der Region, darunter Georgien. Ständige radikale Angriffe seitens der politischen und Mediengruppen, die von Amerikanern kontrolliert werden, die sich bemühen, amoralische und verzerrte Werte der westlichen Verhaltensnormen aufzudrängen. Das ist fremd für unsere Kultur und Identität. Damit versucht der Westen, die kulturelle Souveränität kleiner Länder zu untergraben und Kontrolle über sie zu bekommen. Das Endziel dieser zynischen Politik der Globalisten ist die Opferung dieser kleinen Länder für ihre politischen Interessen. Ein trauriges Beispiel ist leider die Ukraine. Gleiche Gefahr steht vor Georgien und anderen Ländern der Region. Unter diesen Bedingungen stellt sich akut die Frage, ob Russland eine eindeutige Strategie gegen eine destruktive Expansion des Westens hat und ob eine Kooperation mit den Ländern, die natürliche Verbündeten beim Schutz konservativer Rechte sein können, vorsieht.

Sergej Lawrow: Die Frage ist sehr breit. Es wurde gerade über die Ukraine gesagt. Gestern gab es eine Sondererklärung des UN-Sicherheitsrats, der auf unsere Initiative einberufen wurde und den Bedrohungen für den internationalen Frieden und Sicherheit gewidmet ist, die sich aus der Politik des Kiewer Regimes im Menschenrechtsrats ergeben, nationalen Minderheiten, darunter religiöse Rechte.

Die kulturelle Präsenz und Bekämpfung der negativen Tendenzen via Aufrechterhaltung der traditionellen Werte ist direkt mit der Religion und Tätigkeit der russischen und georgischen orthodoxen Kirchen verbunden. In der Ukraine ist es nicht ein Instrument des russischen Einflusses, sondern Institut der Aufbewahrung der Traditionen, Geschichte, Übergabe dieser Traditionen an weitere Generationen, es wird zerstört, verbietet, Priester werden festgenommen, ihnen wird Staatsbürgerschaft weggenommen – das sind die Methoden, mit denen der Westen den Krieg für die Implementierung seiner Werte führt.

Wir müssen spiegelgleich in den Fällen antworten, wenn unsere Journalisten, Politologen, Politiker, die bekannt sind und die Wahrheit dem ausländischen Publikum beibringen können, von Sanktionen belegt werden. Wir müssen mit Gegenseitigkeit antworten. Das ist nicht unsere Wahl. Sogar während des Kalten Kriegs trafen sich regelmäßig sowjetische und amerikanische Wissenschaftler, besprachen aktuelle Fragen. Jetzt gibt es fast keine solche Möglichkeit. An mich wenden sich manchmal einige Vertreter des politischen Gedankens des Westens und fragen, ob man irgendein Seminar auf einem neutralen Territorium organisieren kann, damit unsere und ihre Vertreter kommen. Früher fragte das niemand. Die Institute vereinbarten das einfach. Jetzt sind unsere westlichen Partner, die an diesen Austauschen teilnahmen, einfach erschrocken. Sie wurden ziemlich stark eingeschüchtert.

Ich verhalte mich mit sehr großem Respekt zur Position der Georgischen Orthodoxen Kirche, die diese Werte verteidigt. Im Ganzen haben wir keine Probleme mit dem georgischen Volk.

Es gab eine Geschichte 2008, die damit verbunden war, dass die Nato ihre Rolle spielte, als im April auf dem Nato-Gipfel in Bukarest eine Erklärung angenommen wurde, dass Georgien und die Ukraine Teil der Nato sein werden. Zudem reiste US-Außenministerin Condoleezza Rice nach Georgien einen Monat bevor den Befehl erteilte, Zhinwal und die Positionen der Friedenstruppen zu bombardieren. Michail Saakaschwili hatte wohl zu viele Emotionen. Er beschloss, dass das alles Indulgenz ist.

Die Ukrainer brauchten etwas mehr Zeit, damit der Impuls von Bukarest das Bewusstsein der Menschen erreichte, die das ganze Russische aus ihrem Territorium vertreiben wollten. Wir sind dafür, dass Abchasien, Südossetien die Beziehungen zu Georgien aufbauen. Dort gibt es Mechanismen der Dialoge, an denen wir auch teilnehmen. Die georgische Seite brachte einen Entwurf der Durchführung der gemeinsamen Wirtschaftstätigkeit auf, um Vertrauen zu festigen. Das sind alles nützliche Dinge. Jetzt versuchen aber westliche Teilnehmer der Genfer Diskussionen zwischen Georgien, Abchasien und Südossetien (die EU, UNO, OSZE, USA), dieses Dialogformat zur Geisel der Entwicklung um die Ukraine zu machen. Das ist unanständig, unprofessionell und bedeutet, dass sie ihre Aufgaben in der konkreten Region mit eigenen politischen Beleidigungen und Launen begründen.

Ich freue mich, dass sich bei uns Kontakte zwischen Menschen mit Georgien aktiv entwickeln. 2022 stieg das BIP Georgiens um zehn Prozent. Im bedeutenden Maße dank Tourismus und Handelsbeziehungen mit der Russischen Föderation. Ich hoffe, dass wir bald auch direkten Flugverkehr wiederaufnehmen können.

Wir sehen, inwieweit Georgien, alle anderen Länder seitens des Westens unter Druck gesetzt werden, der öffentlich fordert, sich Sanktionen gegen die Russische Föderation anzuschließen. Dass ein kleines Land und seine Regierung den Mut haben, zu sagen, dass wir uns nach unseren Interessen, Interessen unserer Wirtschaft richten werden, löst Respekt aus.

Frage: Sie sagten gerade, dass der Westen die Masken zur Seite gelegt hat. Wie würden Sie eine ziemlich offene Erklärung des Präsidenten Finnlands, Sauli Niinistö, vor dem Neujahr kommentieren, als er die Russische Föderation mit einem grausamen nazistischen Regime verglich?

In der Sowjetzeit sprachen sie oft über Imperialismus, Kolonialismus, jetzt sind diese Worte öfter zu hören. Es tauchten auch neue Begriffe auf – „Neoliberalismus“, „Globalismus“ auf. Diese Worte sind im Laufe von 30 Jahren von Gennadi Sjuganow und der Kommunistischen Partei Russlands zu hören, jetzt von Ihnen und Russlands Präsidenten. Wie konnten wir feststellen, wem Russland jetzt Widerstand leistet? Sind diese Begriffe heute aktuell, sind sie nicht Teil der Geschichte?

Sergej Lawrow: Was die Neujahrsrede und das jüngste Interview des Präsidenten Finnlands Sauli Niinistö betrifft, gingen wir genau wie im Fall Griechenland und Zypern, davon aus, dass Finnland seit vielen Jahren das Vorbild der Freundschaftsbeziehungen zwischen den Staaten war. Bereits seit der Zeit, als es Koexistenz der Länder mit verschiedenen sozialpolitischen Systemen hieß. Ich war erstaunt wegen der Geschwindigkeit, mit der Finnland (sowie Schweden) die Rhetorik stark änderten. Dahinten steht wohl die Änderung der Position, oder sie war so antirussisch, und mit schönen Worten über die Notwendigkeit eines gesamteuropäischen Hauses, Respekt der Prinzipien der Schlussakte von Helsinki getarnt war. Wir sprachen auch über die Zweckmäßigkeit,  2015 den Helsinki-Gipfel anlässlich des 75. Jahrestags der Schaffung der OSZE einzuberufen. Ich weiß nicht. Ich war natürlich über diese Aussagen erstaunt. Sauli Niinistö verglich direkt, wie „Josepf Stalin Finnland angriff, so griff Wladimir Putin die Ukraine an. Wie Stalin in Finnland wird auch Putin in der Ukraine verlieren“. Ehrlich gesagt, ist es ein ziemlich primitiver Monolog. Doch Anspielungen an das faschistische Deutschland widerspiegeln den Fakt, dass Sauli Niinistö darüber oft denkt. Mir scheint, dass sich Finnen gut an die Geschichte erinnern sollen, wie auch dass sie gar nicht unschuldige Opfer der Prozesse waren, die vor dem Zweiten Weltkrieg und nach seinem Beginn stattfanden. Leider wurde alles, was in Europa geschaffen wurde (und in vielerlei Hinsicht die führende Rolle Finnlands) jetzt auf einmal zerstört, in großem Maße mit Anstrengungen Finnlands selbst. Aber wir sind Nachbarn. Das kann man nicht ändern. Finnland strebt so vehement in die Nato an und sagt, dass dies seine Sicherheit garantieren würde. Doch wie wir sagten, müssen wir Schlussfolgerungen wegen des Beitritts Finnlands und Schwedens (wenn es dazu kommt) zur Allianz machen und werden auf unserer Seite der Grenze entsprechende militärtechnische Maßnahmen treffen.

Ich erwähnte nicht Neoimperialismus. Ihr Nachbar sagte, dass wir uns wie andere imperiale Mächte benehmen. Das ist die Sache des Geschmacks.  Was koloniale Gewohnheiten betrifft, sagte Präsident Wladimir Putin darüber. Das ist eine reale Einschätzung davon, was der Westen zu machen versucht. Kolonialismus ist, wenn du jemanden ergreifst und auf seine Kosten wohnst. Doch man kann auf verschiedene Weise ergreifen. Im 17. Jh. wurden Sklaven in das Schiff gesteckt, man kann auch alle Pläne, Programme eines jeweiligen Landes bzw. Struktur unterordnen, wie die Amerikaner jetzt mit der EU machen. Island ist kein EU-Mitglied. Sie haben Glück. Die EU verlor ihre Selbstständigkeit. Das ist de facto ein Attribut der Nato. In der EU kommen öffentliche Erklärungen ans Licht, dass sie diskriminiert werden. Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sagte, dass man die Amerikaner irgendwie dazu bewegen soll, dass sie aufmerksamer zu ihren Interessen sind, weil die Industrie in Europa für Gas viermal mehr zahlt, als die Industrie in den USA.

Im Ganzen bedeutet ein langfristiger Übergang zu Flüssiggas trotz jetziger Preisschwankungen eine bedeutende Verteuerung der Produktion in Europa. Vor vielen Jahren forderten die Europäer von uns, keine langfristigen Verträge zu unterzeichnen, sondern zu Spot-Preisen zu übergehen. Jetzt, als ukrainische Ereignisse begannen, und Europäer beschlossen, nach neuen Energiequellen zu suchen, führen sie Verhandlungen in Katar. Katar sagte, bitte gerne – ein Vertrag für mindestens 15 Jahre.  Die Europäer wandten sich dann an die USA. Gestern las ich eine Mitteilung, dass die Amerikaner sagten, dass sie einen guten Preis geben werden, aber nur im Rahmen der langfristigen Verträge. Deswegen ist die Zuverlässigkeit, Fähigkeit, eine stabile Aussicht zu haben, wichtiger, als jeden Tag dem Zickzackkurs zu folgen. Aber die europäische Industrie bewegt sich bereits in die USA. Einige Politologen, darunter westliche sagen, dass eines der Ziele davon, was um die Ukraine passiert, ein starker Rückgang der Konkurrenzfähigkeit Europas ist. Das ist ein Schritt dazu, die Konkurrenzfähigkeit Chinas, anderer Rivalen auf den Weltmärkten abzuschwächen.

Der Kolonialismus zeigt sich natürlich in vollem Maße bei den Beziehungen mit Schwellenländern. Sehen sie, wohin US-Investitionen fließen. Sie werden unbedingt entweder mit irgendwelchen politischen Forderungen oder Stationierung der US-Truppen begleitet. Ich sehe keinen großen Unterschied. Ich weiß, dass viele Wissenschaftler bereits dieses Phänomen des Kolonialismus unter neuen Bedingungen, das ist sogar kein Neokolonialismus erforschen. Aus der Sicht der Ziele und Aufgaben ist es reiner Kolonialismus. Unterordnen und Ressourcen im eigenen Interesse nutzen.

Frage: Die Diplomatie verfügt über eine größere Zahl der Instrumente, vor allem das Wort. Wie denken Sie, welches Wort war 2022 in der Welt der Diplomatie am tragischsten, welches gab die meisten Hoffnungen und welches Wort heute die ganze Welt hören soll.

Sergej Lawrow: Das ist eine lyrische Frage. Wir denken mehr über konkrete Dinge. Zu beschreiben, was wir machen, das würden wir Sie bitten.

Das Wort „der Krieg“, ich würde mich nicht fürchten, es zu sagen. Die aktuellen Ereignisse sind unsere Antwort, die wie Russlands Präsident sagte, hätte vielleicht etwas früher gemacht werden sollen. Das ist die Antwort (sie war nicht zu spät) auf den Hybrid-Krieg, der gegen uns entfacht wurde. Unter dessen Motto der Westen nun in verschiedenen Formen seine Agenda durchsetzt. Jene, die das Wort „Verhandlungen“ hören wollen, wollen sie leider selbst nicht und manipulieren diesen Begriff, um diesen Krieg gegen Russland möglichst lange in die Länge zu ziehen.

Frage: Welchen Platz nehmen arabische Staaten in der Außenpolitik der Russischen Föderation ein? Waren 2022 die Prioritäten zu diesen Ländern revidiert?

Sergej Lawrow: Araber sind unsere alten und treue Freunde. Wir pflegen regelmäßigen Kontakt in bilateralen Kanälen und mit der Arabischen Liga und dem Golf-Kooperationsrat. Gestern hatte ich ein weiteres Treffen mit allen Botschaftern der Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga. Im Mai 2022 war ich im Hauptquartier der Arabischen Liga in Kairo. Ich trat dort vor allen Mitgliedsstaaten auf.

Ich sehe das Verständnis unserer Position. Das ist bei weitem nicht über die Ukraine, sondern über den Kampf um die neue Weltordnung zwischen jenen, die meinen, dass sie ihren Regeln vollständig unterordnet werden soll, die die Dominanz der USA und ihrer Satelliten und jener, die wollen, dass die Weltordnung demokratisch ist, vorsehen.

Ich sagte das schon mehrmals. Die westlichen Länder fordern ständig von allen Demokratie, aber meinen ausschließlich den inneren Aufbau des Staates. Dabei hat man natürlich kein Recht, Fragen über die Demokratie in den USA zu stellen. Es gibt Studien darüber, wie dort die letzten Wahlen stattfanden – es wurden tote Personen gewählt, ein Kongressmitglied bekam doppelt so viele Stimmen, als es Wähler in ihrem Lokal gab, Abstimmung per Post u.s.w. Man darf das nicht machen. Sobald man mit ihnen über die Demokratie der demokratischen Beziehungen spricht, gehen sie weg. Sie wollen das nicht. Sie wollen „Regeln“ in der Welt. Kein Völkerrecht, das die Demokratie gewährleistet, wo jedes Land souverän gleichberechtigt ist, sondern Regeln, wo sie alles diktieren. In der Nato-EU-Erklärung steht geschrieben – im Interesse der „Milliarde“. Der „Dschungel“ soll geschützt und auf koloniale Weise genutzt werden.

Niemand aus arabischen Ländern schloss sich Sanktionen an trotz des präzedenzlosen, harten, rücksichtslosen Drucks seitens des Westens. Als ich in der Arabischen Liga war, sagte der Generalsekretär der Arabischen Liga vor Beginn meines Auftritts, dass drei Tage vor meiner Ankunft bei ihnen eine Delegation westlicher Botschafter zu Besuch war, die forderte, meinen Auftritt zu stornieren.

Als sie eine höfliche Antwort bekamen, dass es unmöglich ist, weil die Arabische Liga mit Russland befreundet ist, forderten sie, dass nach meinem Auftritt jedes Mitglied der Liga aufsteht und die russische Aggression verurteilt. Darauf folgte ebenfalls eine höfliche Antwort, dass jedes Land eigene Position hat, und sie sie selbst bestimmen. Und die dritte Bitte, die meines Erachtens deprimierend für den Westen war – sich mit mir nicht fotografieren zu lassen. Das ist kein Scherz.

Dann legten die Mitarbeiter des Sekretariats das alles auf Papier und verschickten an alle Botschaften, damit sie solche Demarche bekommen. Ich will nicht sagen, dass es schmeichelhaft für mich war, aber ich würde betonen, dass nach diesem Auftritt (er dauerte mehr als eine Stunde) ich gebeten wurde, einzelnes Foto mit jedem dieser Botschafter zu machen. Das ist quasi eine Kleinigkeit, aber dazu bräuchte man in Europa viel politisches Mut.

Die Beziehungen mit der arabischen Welt entwickeln sich bei uns im Aufwärtstrend. Natürlich sollen wir in handelswirtschaftlichen Verbindungen illegale Sanktionen, Agonie, die wir jetzt seitens jener, die das internationale Währungs- und Finanzsystem leiten, beobachten. Wir bauen neue Lieferketten auf, die von diesen Kolonisatoren geschützt sind. Wir übergehen immer mehr zu Berechnungen in Nationalwährungen. Wir haben viele globale Projekte. In Ägypten wird ein Kernkraftwerk und Industriezone mit russischer Teilnahme geschaffen. Es gibt viele Projekte in Algerien. Es gibt aussichtsreiche Pläne mit Marokko. Es gibt sie fast mit allen afrikanischen Ländern. Es funktionieren Zwischenregierungskommissionen für handelswirtschaftliches Zusammenwirken mit arabischen Ländern. Auf der Ebene der außenpolitischen Behörden funktioniert bei uns das Russisch-arabische Kooperationsforum. Im Laufe von ein paar Jahren konnten wir uns pandemiebedingt nicht im Präsenzformat treffen. Jetzt besprechen wir mit dem Hauptquartier der Arabischen Liga die Durchführung einer Ministersitzung entweder in einem Land der Region nach Ermessen unserer Partner, oder wir sind immer bereit, sie in der Russischen Föderation auszutragen.

In Bezug auf die arabische Welt soll eine offensichtliche Unzufriedenheit unserer Kollegen damit erwähnt werden, dass der Westen, wenn er jeden Tag etwas über die Ukraine fordert, gar nichts zum palästinensischen Problem macht. Es löst tiefes Bedauern aus, dass sowohl Palästina, als auch die Libyen-Regelung, die nach der Zerstörung Libyens durch den Westen an einer Stelle bleibt. Es bleiben Probleme bei Irak-Frage. Das alles und andere Probleme der Region haben für den Westen zweitrangige Bedeutung im Vergleich damit, dass man unbedingt Russland ausschöpfen soll und es eine strategische Niederlage erleiden muss.

Unsere Kollegen sehen, dass wir eine andere Position haben. Wir wissen das zu schätzen. Wir schwächen unsere Anstrengungen bei der Palästina-Frage, Syrien- und Libyen-Regelung nicht ab. In Bezug auf den Irak planen wir Kontakte mit iranischen Kollegen auf einer hohen Ebene. Es ist wichtig, dass diese Konflikte nicht in Vergessenheit geraten. Die palästinensische Frage ist einer der ältesten nicht geregelten Konflikte in der Welt. UN-Generalsekretär hätte diese Agenda etwas aktiver als einer der Teilnehmer des Quartetts der internationalen Vermittler fördern können.

Frage: Sie erinnerten an die Stadt Rakka und aggressive Politik der USA, die diese Stadt in Ruinen verwandelte. Illegale, ungerechte und einseitige Sanktionen gegen das syrische Volk, Besatzung eines Teils der syrischen Gebiete verlängert die Krise in Syrien, verschlimmert die Lebensbedingungen des syrischen Volkes. Wie könnten Sie die Verletzung der USA und ihrer Satelliten des internationalen und humanitären Rechts gegen Syrien und das Verbot für die Rückkehr der Flüchtlinge auf ihren historischen Boden kommentieren?

Sergej Lawrow: Man kann darüber lange sprechen. Sanktionen sind unannehmbar. Das ist ein weiteres Beispiel davon, wie die westlichen Gespräche darüber, dass ihre Sanktionen einfache Menschen nicht treffen, Lüge sind. Sanktionen zielen genau darauf ab, dass es Menschen schlimmer geht und sie gegen ihre Regierungen rebellieren. Solches banale Ding.

Es gibt humanitäre Ausnahmen. Sehen sie sich die Menge der humanitären Hilfe an, die nach Syrien kommt. Wenn man von den Parametern ausgeht, die die UNO für notwendig betrachtet und was faktisch nach Syrien kommt, ist es ungefähr die Hälfte. Einer der schlimmsten Kennzahlen unter allen humanitären Programmen.

Der Westen will tatsächlich nicht die Rückkehr der Flüchtlinge nach Syrien. Selbst das UN-Büro für Angelegenheiten der Flüchtlinge verbreitete vor einigen Jahren im Lager syrischer Flüchtlinge im Libanon einen Fragebogen, der direkt dazu führte, dass es in Syrien schlecht ist und man besser im Libanon bleiben soll. Wir machten ein Skandal. Man entschuldigte sich vor uns. Dieser Fragebogen wurde entfernt. Das alles zeigt, wie sich „internationale Gemeinschaften“ zu Flüchtlingen verhalten.

Der Grund ist politisch. Die Resolution Nr.2254 des UN-Sicherheitsrats sieht tatsächlich die Durchführung der Wahlen unter Teilnahme der ganzen syrischen Bevölkerung vor. Der Westen will sehr, dass wenn es zu diesen Wahlen kommt (obwohl Syrien eigene Wahlen ohne Einmischung des Westens durchführte), sie es auf irgendeiner Etappe schaffen, gewisse „riesengroße Wahlen“ unter Teilnahme der Flüchtlinge aufzudrängen. Sie wissen, wie man in Flüchtlingslagern eine „richtige“ Abstimmung zugunsten der Opposition gewährleistet, die sie ernähren. Ein offensichtliches und unschönes Ding.

Die Amerikaner verstanden, dass es keinen Sinn hat, irgendwelchen Juan Guaido für Venezuela großzuziehen und man mit jenen arbeiten soll, die das Mandat des Volkes haben. Jetzt sind solche Tendenzen gegenüber Präsident Baschar Assad zu erkennen. Amerikaner haben geschlossene Kontakte zu Kriegsgefangenen mit den Syrern. Andere Länder, darunter die Türkei, traten dafür ein, die Beziehungen zu Damaskus zu normalisieren. Der Präsident der Türkei Recep Tayyip Erdogan sagte, dass er bereit sei, sich mit dem Präsidenten Syriens, Baschar Assad zu treffen. Wir wurden um Unterstützung gebeten. Es gab ein Treffen der Verteidigungsminister der Türkei und Syriens unter russischer Vermittlung, es wird ein Außenministertreffen vorbereitet. Arabische Länder verließen nicht Syrien, ließen dort ihre Botschaften, oder brachten sie dorthin zurück. Zum Beispiel, VAE, die über große Vermittlungserfahrung verfügen, nutzen sie immer mehr zum Wohle. Wir wissen das zu schätzen.  Das Leben wird dazu bewegen, diese Fragen ausgehend von Realien und nicht aus einem perfekten Bild, das sich jemand in ihren geopolitischen Konstellationen malt, zu betrachten.

Eines der Hauptprobleme ist aber Idlib. Es ist notwendig, dass die Vereinbarungen über die Unzulässigkeit der Beibehaltung von Terroristen dort erfüllt werden. Dazu noch der Nordosten, wo man Kontakte zwischen der Regierung und Kurden aufnehmen soll. Wir verstehen die Besorgnisse unserer türkischen Kollegen, ihre Verärgerung, dass die USA im Gegenteil die Kurden nutzen wollen, um einen Quasi-Staat im Osten Syriens zu schaffen und damit die Kurden die Aufträge Washingtons erfüllen und ständig Reizfaktoren in der Region schaffen.

Mein Kollege, der Außenminister der Türkei, Mevlüt Cavusoglu, erinnerte daran, dass Russland 2019 mit der Türkei ein Memorandum unterzeichnete, laut dem wir uns verpflichteten, zu fördern, dass die Kurden kooperieren, von der türkischen Grenze auf eine bestimmte Entfernung ähnlich wie bei Sicherheitsabkommen von Adana zwischen der Türkei und Syrien 1998 zurückgehen. Mein guter Freund, Cavusoglu, sagte, dass Russland bislang nicht alles erfüllt hat. Das stimmt. Es ist eine schwere Frage. Doch wir hatten mit den Türken auch andere Vereinbarungen neben dem Nordosten. Russlands Präsident Wladimir Putin und der Präsident der Türkei Recep Tayyip Erdogan unterzeichneten ein Protokoll zu Idlib. Demnach verpflichtete sich die Türkei, die Opposition, die mit der Türkei kooperiert, von Dschebhat an-Nusra zu trennen, damit sich Terroristen nicht frei fühlen können. 2020 wurde ein gemeinsames russisch-türkisches Patrouillieren der M4-Autobahn bis Aleppo vereinbart. Das wird bislang auch nicht geschafft. Deswegen soll man weiter die Erfüllung der abgestimmten Aufgaben anstreben. Sie bleiben vollständig aktuell.

Eine wichtige Rolle spielen die Fragen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus Syriens. Der Westen versucht mit allen Mitteln die Kanäle der humanitären Lieferungen ohne Kontrolle von Damaskus über die türkische Grenze nach Idlib beizubehalten.  Wir ließen jetzt nur einen solchen Punkt und nur unter Bedingung, dass legitime, durch das Völkerrecht festgelegten Methoden der Lieferung humanitärer Hilfe, also über die Regierung Syriens, aufgebaut werden und die Möglichkeiten für Finanzierung der Projekte der frühen Wiederherstellung aufgedeckt werden. Also es geht nicht nur um die Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten, sondern auch Reparatur von Krankenhäusern, Schulen, Gewährleistung der Wasser- und Energieversorgung. Das wurde uns nicht einfach versprochen. Es wurde eine Resolution des UN-Sicherheitsrats angenommen. Sie wurde unter anderem von Amerikanern aktiv unterstützt. Bereits seit zwei Jahren sehen wir einen nicht großen Fortschritt. Das ist auch die Aufgabe, die die UNO aktiver lösen soll.

Frage: Die Beziehungen zwischen Russland und den USA sind nicht im besten Zustand. Was soll Washington aus der Sicht Russlands machen, um die Beziehungen auf das frühere Niveau zu bringen? Inwieweit stören solche anstrengenden Beziehungen zwischen Russland und den USA bei der Lösung anderer Krisen, wie in Jemen, Syrien, Libyen und Iran?

Sergej Lawrow: Wenn zwei einflussreiche Länder nicht zusammenarbeiten und sogar auch miteinander nicht sprechen, wirkt sich das immer auf ihre Möglichkeit aus, bei der Lösung eines gewissen internationalen Problems zu helfen, wo Ankopplung der Anstrengungen erforderlich ist. Das ist ein objektiver Faktor. Was ist notwendig, damit diese Beziehungen zu einem normalen Zustand kommen? „Ein normaler Zustand“ – es ist so ein Begriff. So, wie es war, wird es nicht mehr geben. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte vor kurzem, dass es nicht mehr solche Beziehungen Russlands zur Nato und dem Westen, wie sie in der Vergangenheit waren, geben werde.

Wir sagten seit langer Zeit, dass es nicht mehr Situation geben wird, wenn man uns lügt, Dokumente unterzeichnet, und dann sich weigert, sie zu erfüllen. So war es mit der Erklärung des Russland-Nato-Rats, OSZE-Erklärung von Istanbul, OSZE-Erklärung, die auf dem Gipfel in Astana 2010 angenommen wurde, Abkommen über Krisenregelung in der Ukraine im Februar 2014 (das von Deutschland, Frankreich und Polen garantiert wurde), Minsker Abkommen, die nicht nur von Deutschland und Frankreich unterzeichnet wurden, sondern auch im UN-Sicherheitsrat einstimmig gebilligt wurden. Alle diesen Vereinbarungen wollte der Westen sogar nicht erfüllen. Uns wurde einfach offen gelogen, als auf der Ebene der Präsidenten und Premierminister diese feierlichen Verpflichtungen unterzeichnet wurden. Deswegen hörten wir noch früher damit auf, ihnen aufs Wort zu glauben.

Warum glauben wir aufs Wort? In Russland gab es solche Regel, als Händler etwas vereinbarten, sie unterzeichneten nichts, machten einen Händedruck und alles. Wenn du das Vereinbarte nicht erfülltest, wird nicht niemand respektieren. Wir wurden davon abgelernt, nachdem uns versprochen wurde, die Nato nicht zu erweitern. Dann unterzeichneten wir politische und sogar juridisch verbindliche Dokumente. Die Resolution des Sicherheitsrats zu Minsker Abkommen – das ist ein juridisch verbindliches Dokument. Jetzt werden wir dazu aufgerufen, dass Russland die Ukraine verlassen, die UN-Charta in vollem Maße erfüllen soll. Dort heißt es unter anderem, dass alle UN-Mitglieder verpflichtet sind, die Resolutionen des Sicherheitsrats zu erfüllen. Die Resolution des UN-Sicherheitsrats zur Ukraine wurde sabotiert und ließ den Konflikt nicht so regeln, dass es keine Leiden im Rahmen der aktuellen Ereignisse gibt. Das ist ein offensichtliches Ding für mich.

Unsere westlichen „Freunde“ setzten vor einiger Zeit einen Beschluss der UN-Generalversammlung durch, dass wenn jemand ein Veto im UN-Sicherheitsrat einsetzt, soll die Generalversammlung innerhalb von zehn Tagen eine Sitzung zu diesem Thema durchführen und hören, welche Motive es für seinen Einsatz waren. Wir stimmten so. Wir haben nichts zu verheimlichen. Alle unseren Abstimmungen, Beschlüsse erklären wir gerade so.

Aber es stellt sich eine andere Frage: Warum will die UN-Generalversammlung nicht die Frage über Resolutionen betrachten, die nicht von Veto betroffen wurden, sie wurden angenommen, aber niemand erfüllt sie? Zum Beispiel, Resolutionen zur Palästina-Regelung. Sie wurden doch im UN-Sicherheitsrat angenommen, darunter gibt es einstimmige Resolutionen. Man vergaß daran. In der Generalversammlung, wenn Palästina besprochen wird, beklagt man sich über die Nichterfüllung. Und speziell eine Sitzung einberufen und fragen, warum die Resolution nicht erfüllt wurde, die die Minsker Abkommen zur Ukraine billigte, das fällt niemandem ein. Genauer gesagt, es fällt ein, aber niemand braucht es. Stattdessen werden irgendwelche unglaublichen Ideen über die Schaffung des „Tribunals“, eines „Mechanismus“ zu Reparationen seitens der Russischen Föderation besprochen. Mögen sie das machen. Aber alle diese Tribunale sind den Ukrainern und ihren Schutzherren nichts mehr als Tribüne notwendig. Nichts mehr.

Es waren nicht wir, die die Beziehungen zu den USA ruinierten. Nach dem Treffen des US-Präsidenten Joe Biden und Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Genf im Juni 2021, wo die Gorbatschow-Reagan-Formel bestätigt wurde, dass es in einem Atomkrieg keine Gewinner geben kann und er nie entfacht werden darf, förderten wir das aktiv. Die Amerikaner stimmten zu. Die Administration Bidens im Unterschied von der Administration Trumps unterstützte sofort diese Idee, was uns im Januar 2022 ermöglichte, eine gleiche Erklärung über die Unzulässigkeit eines Atomkriegs (auf unsere Initiative) im Namen der Anführer von allen fünf Atommächten zu machen. Ihre zweite Vereinbarung war der Beginn eines strategischen Dialogs darüber, was als Ersatz des START-Vertrags kommen kann, der jetzt gültig ist und Anfang 2026 abläuft. Er wurde unter Teilnahme der Diplomaten, Militärs, Sicherheitsdienste aufgenommen. Es gab zwei Runden der Sitzungen im Juli und September 2021. Es war mehr oder weniger klar, in welcher Richtung man sich weiter bewegen soll, es wurden organisatorische Formen der weiteren Diskussion besprochen (das ist auch wichtig). Nach September 2021 haben die Amerikaner plötzlich diesen strategischen Dialog abgesprochen. Jetzt sagen sie, dass man ihn wiederaufnehmen soll. Wir haben ihn nicht abgebrochen. In keiner Richtung unserer Kontakte waren wir Initiatoren der Einstellung. Das waren die USA. Hinterlaufen und ihnen sagen – wollen wir wieder befreundet sein – das werden wir nicht machen. Sie wissen, dass wir ernsthafte Menschen sind und auf einen ernsthaften Umgang immer ernsthaft reagieren werden. US-Präsident Joe Biden bat Russlands Präsidenten, Wladimir Putin, dass der SWR-Chef Sergej Naryschkin sich mit CIA-Chef William Burns trifft – das Treffen kam zustande. Es war ziemlich ernsthaft, nützlich, obwohl es keinen Durchbruch gebracht hat. Ein ernsthafter, gegenseitig respektvoller Dialog und nicht ein Treffen, um einander alle tödlichen Sünden borzuwerfen. Deswegen ist der Ball nicht auf unserer Seite.

Frage: Als Fortsetzung des Themas der Beziehungen zu den USA, man möchte betonen, ob es ein Verständnis gibt, wann der neue US-Botschafter nach Russland kommt? Inwieweit ist heute die Aussicht der Wiederaufnahme der Arbeit der diplomatischen Vertretung bei der Ausstellung von Visa für die Russen in Sicht? Ist das russische Außenministerium bereit, den Dialog mit den USA in dieser Richtung zu fördern?

Sergej Lawrow: Ich weiß nicht, wann die neue Botschafterin kommt. Sie hat bereits Anhörungen absolviert, alle Formalitäten wurden abgeschlossen. Darüber soll die US-Seite entscheiden. Sie hat Agrement. Von unserer Seite gibt es keine Hindernisse für ihre Anreise.

Was die Bedingungen betrifft, unter denen die Botschaften arbeiten. Genau so wie bei der vorherigen Frage, wir begannen nie irgendwelche Handlungen zur Erschwerung der Arbeit der Diplomaten. Alles, was wir jetzt beobachten, wurde vom Nobelpreisträger Barack Obama im Dezember 2016, drei Wochen vor der Amtseinführung Donald Trumps begonnen. Barack Obama beschloss kurz vor seiner Abreise aus dem Weißen Haus, seinem Nachfolger kleinlich zu schaden – er nahm unser Eigentum weg, vertrieb unsere Diplomaten. Das war kleinlich, unwürdig für einen Menschen, der Präsidenten der Vereinigten Staaten heißt.

Danach wurden wir von Vertretern Donald Trumps angerufen, uns wurde gesagt, dass Donald Trump noch kein Präsident sei, aber sie meinen, dass es nicht richtig gemacht wurde. Die Amerikaner waren sicher, dass wir reagieren werden. Sie baten zu warten, bis Trump ins Weiße Haus einzieht und sie versuchen, das zu regeln. Wir nahmen eine Pause. Es sind sechs Monate vergangen. Ihm wurde nicht ermöglicht, das zu regeln, auch wenn er das wollte. Wir mussten auch mit der Ausweisung von Diplomaten, Einführung eines Sonderregimes für ein Paar Objekte der Amerikaner in Moskau beginnen. Sie nahmen das übel – wieso haben wir sie einfach so vertrieben. Das war nicht einfach so, zuvor ging Barack Obama vor. So begann die Kettenreaktion.

Jetzt haben wir keine Parität. Das Verhältnis der Diplomaten ist ernsthaft zugunsten der USA. In eine gemeinsame Zahl, die für uns und sie gleich ist, wurden in unserem Fall Mitarbeiter der Ständigen Vertretung Russlands bei der UNO aufgenommen, die mit bilateralen Verbindungen Russlands und der USA nichts zu tun haben. Unter anderen Umständen hätten sie nicht in Parität-Berechnungen gezählt werden sollen. Sie werden aber gezählt. Das sind 140 Menschen. Hier haben die Amerikaner einen großen Vorteil. Wenn sie sich darüber beschweren, dass sie keine Menschen haben, um Visa auszustellen, glauben sie ihnen nicht. Wir haben 140 weniger Leute in bilateralen ausländischen Einrichtungen. Wir stellten die Visumsausstellung nicht ein, US-Bürger wurden nicht nach Venezuela, Kuba oder Nicaragua geschickt, um Visa zu bekommen. Wir hätten aber das machen können. Aber wir sind nicht kleinlich. Wir bemühen uns, ersthafte Menschen zu sein.

Frage: In der letzten Zeit spricht China viel über den Frieden, die Notwendigkeit des Friedens für unsere Welt, die Politik der Nichtkonfrontation, Nicht-Anschlusses. Allerdings spricht der Westen aktiv über die „russisch-chinesische Allianz“, manchmal schüchtert damit die Welt ein. Eine typische Taktik des Westens – alles brechen, was ihnen nicht gefällt. Werden heute in Russland die Versuche des Westens fixiert, Russland und China zu zerstreiten – Informationsattacken, kompromittierende Materialien u.a. – ein typischer US-Stil?

Sergej Lawrow: Unsere Beziehungen zur Volksrepublik China erleben die besten Zeiten in der ganzen Geschichte der Zusammenarbeit. Das sagen unsere Anführer – Russlands Präsident Wladimir Putin und der Staatschef Chinas Xi Jinping. Das ist in gemeinsamen Dokumenten festgeschrieben, das letzte davon am 4. Februar 2022 angenommen wurde, als Russlands Präsident zu einem Besuch nach China kam. Das war eine Gemeinsame Erklärung der Russischen Föderation und der Volksrepublik China über internationale Beziehungen, die in eine neue Epoche eintreten, und in einer globalen nachhaltigen Entwicklung. Ein starkes Dokument, wo alle wichtigsten Weltanschauungsfragen im Kontext der Solidarität unserer Länder widerspiegelt sind. Einst beschrieben die chinesischen Freunde die Beziehungen, dass es keine Allianz, kein Bündnis ist, aber in vielerlei Hinsicht stärker als ein Bündnis. Sie sind pragmatisch, vertrauensvoll, gegenseitig respektvoll und stützen sich auf das Gleichgewicht der Interessen. Genau das, was ein perfektes Format für die Beziehungen mit jedem anderen Land ist. Sie stützen sich direkt auf die Prinzipien der UN-Charta.

Der Handelsumsatz zwischen Russland und China ist in diesem Jahr bereits auf Rekordniveau. 2022 war es etwas weniger als 200 Mrd. Dollar (Ich berechne in US-Dollar, es ist aber die Zeit, in Rubel und Yuan zu berechnen. Bald wird es wohl so sein).

Moskau und Peking kooperieren eng in der internationalen Arena, insbesondere in der UNO, bei der Bekämpfung von neuen Herausforderungen und Gefahren im Rahmen der SOZ und des BRICS. Die Zusammenarbeit zwischen der Eurasischen Wirtschaftsunion und China besteht in der Harmonisierung der eurasischen Integration und des chinesischen Projekts der Neuen Seidenstraße. Erwähnenswert ist auch unsere militärische bzw. militärtechnische Kooperation, wobei gemeinsame Manöver organisiert werden. Das alles festigt unsere strategische Partnerschaft. Der Westen sieht das.

Sie haben gefragt, ob wir Informationen haben, ob sich der Westen um eine Verschlechterung unserer Beziehungen bemüht. Danach muss man gar nicht suchen – diese Informationen sind offen. In den Strategien, die die USA entwickeln (Sicherheitsdoktrin, Nato-EU-Erklärung) sind Russland und China erwähnt. Es gibt eine kleine Nuance: Man hält uns für eine kurzfristige Gefahr, mit der man sich möglichst schnell auseinandersetzen sollte; und China gilt als langfristige Gefahr, als große und systemische Herausforderung. Also muss man sich mit China  nach Auffassung des Westens länger auseinandersetzen.

Viele unabhängige Beobachter schreiben, die Amerikaner und Europa würden einen Fehler machen, indem sie versuchen, Russland und China gleichzeitig einzudämmen. Sie glauben wohl, imstande zu sein, so zu handeln. Die USA könnten das nie im Alleingang tun. Das ist die eindeutige Schlussfolgerung.

Es ist ja nicht umsonst, dass sie „Europa versklavt“ haben, das jetzt ihrer Dominanzstrategie voll und ganz dient. Dasselbe wird jetzt auch gegenüber Japan getan. Dann werden sie bestimmt versuchen, Neuseeland und Kanada in solche Allianzen wie beispielsweise AUKUS aufzunehmen, damit das angelsächsische „Quintett“ sich vollständig fixt. Auch Südkorea wird „angebaggert“.

Dabei haben die Amerikaner nicht genug Kraft, um ihren Dominanzkurs voranzutreiben, vor allem im Interesse der Eindämmung Russlands und Chinas. Deshalb brauchen sie eine vollständige Mobilmachung des ganzen „westlichen Lagers“. Und das tun sie jetzt auch. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass ihre Kräfte schon fast erschöpft sind, was den Widerstand der objektiven historischen Tendenz zur Etablierung der multipolaren Welt angeht.

Wir und die Chinesen sehen, dass der Westen trotz des einheitlichen Ziels, Moskau und Peking einzudämmen, sich darum bemüht, uns zu zerstreiten. Man will uns besiegen, um dann Russland zu überzeugen, ein Partner des Westens zu werden, der sich gnädig zeigen und die Sanktionen gegen uns aufheben würde. Dann könnte Russland der Partner des Westens werden und ihn nicht mehr stören – und im idealen Fall ihm bei der Eindämmung Chinas helfen. Ich weiß nicht, wer von Analysten solche Theorien entwickelt. Sie sind aber realitätsfremd.

Wir und China sehen all diese „Spielchen“. Wir verstehen, dass China viel tiefer in die modernen Globalisierungsprozesse integriert war. Seine Wirtschaft ist viel größer als unsere, wie auch seine Reserven, die es in ausländische Währungen investierte. Für China wäre die Überwindung der Abhängigkeit vom Westen viel komplizierter als für Russland. Für uns wurde diese Aufgabe in einem gewissen Sinne leichter – wegen der allumfassenden Sanktionen, angesichts derer wir uns endgültig überzeugt haben, dass wir diesen Leuten, die uns in ihr Wirtschaftssystem lockten, nicht mehr vertrauen können, dass wir uns auf sie nicht verlassen können.

Gestern hat Präsident Putin in einer Regierungsberatung unseren Kurs abermals bestätigt. Ich habe keine Zweifel, das auch unsere chinesischen Kollegen diese Gefahr sehen. Die westlichen Sanktionen gegen China wurden schon teilweise verhängt – sie sind gegen alles gerichtet, was mit Chinas Möglichkeiten verbunden ist, Mikroprozessoren bzw. Halbleiter herzustellen. Es wurde offen erklärt, dass der Westen von China nicht mehr abhängig sein darf. Der Westen sollte alles selbst herstellen, und die Amerikaner nehmen die Produktion schon wieder auf. Solche Sanktionen werden gegen Peking auch künftig verhängt werden.

Wir tun nichts, was unsere praktischen Beziehungen zerstören und unseren Unternehmen schaden könnte, und bemühen uns gemeinsam mit China um eine Reduzierung unserer Abhängigkeit von solchen westlichen Instrumenten und von unzuverlässigen Partnern. Etwa die Hälfte unserer Handelsbilanz entfällt auf Zahlungen in Rubel und Yuan, und ihr Anteil wird immer größer.

China versteht sehr gut, dass die westlichen doktrinären Einstellungen (jetzt sind sie gegen Russland gerichtet, dann wird China dran sein) ernst zu nehmen sind, dass der Westen sich darum bemühen wird. Im Taiwan-Kontext wurde bereits die Position festgelegt, die für China völlig inakzeptabel ist und auch dem Völkerrecht widerspricht. Man sucht permanent nach neuen Möglichkeiten, China zu verärgern – im Kontext der Situation um Tibet, Xinjiang und Hongkong.

Peking versteht sehr gut, dass es gefährlich ist, Teil des westlichen Systems zu bleiben und vom Westen vollständig abzuhängen. Das ist mit großen Risiken für die nationalen Entwicklungsinteressen Russlands verbunden.

Frage: Im Dezember 2022 sagten Sie, eines der wichtigsten außenpolitischen Ergebnisse des Jahres sei die endgültige Einsicht geworden, mit dem man verhandeln und wem man nicht vertrauen kann. Mit dem „kollektiven Westen“ ist  alles völlig klar, aber was können wir in Asien im Allgemeinen erwarten? Wie sind die Prioritäten unserer Diplomatie in der asiatischen Region?

Sergej Lawrow: Ich habe schon zu diesem Thema gesprochen. Der Westen versucht, der ganzen Welt seine „blockbezogene“ Herangehensweise aufzuzwingen, und eine der Prioritäten ist dabei Asien. Seine „Indopazifischen Strategien“, die extra erfunden wurden, um immer mehr Keile zwischen Indien und China zu treiben und Indien in seine Schemata zu verwickeln – das sind alles ziemlich offensichtliche Dinge.

Es wurde das AUKUS-Format ins Leben gerufen, wobei Frankreich parallel erniedrigt wurde, als es um Lieferungen von U-Booten an Australien ging. Es wurde erklärt, dass man sie selbst bauen würde. Das „blockbezogene“ Format wird künftig noch mehr erweitert werden. Erst neulich fand ein gemeinsamer Gipfel mit Japan statt. Dabei wurde offensichtlich, dass sich Japan militarisieren wird, so dass seine Rüstungsausgaben steigen werden. Und Neuseeland und Südkorea betrachten die Amerikaner als potenzielle Teilnehmer dieses Prozesses.

Es ist ja unbekannt, wie das enden wird. Das müssen die Regierungen dieser Länder entscheiden. Alles erfolgt bei gleichzeitiger Zerstörung von Strukturen, die jahrzehntelang die Sicherheitsarchitektur in Asien unterstützten. Sie wurde vor allem im Rahmen des ASEAN gegründet, das von allen als „Kern“ der Prozesse auf Gebieten wie Wirtschaft, Sicherheit, politischem Dialog und humanitäre Kooperation galt. Es wurden umfassende Mechanismen ins Leben gerufen: diverse Dialogformate zwischen ASEAN und seinen einzelnen Partnern, Ostasiatische Gipfeltreffen, an denen sich die zehn ASEAN-Mitglieder und alle Dialogpartner beteiligten (es gab insgesamt neun Partner: Russland, China, Australien, Indien, Kanada, Neuseeland, Südkorea, USA, Japan), das Regionale ASEAN-Forum für Sicherheit (daran beteiligten sich alle ASEAN-Partner und viele andere eingeladene Länder), das Format der Beratungen der ASEAN-Verteidigungsminister und ihrer Amtskollegen aus den Partnerländern und etliche andere Mechanismen, dank denen diverse Wirtschaftsfragen sowie Probleme der Vorbeugung von Naturkatastrophen bzw. Beseitigung ihrer Folgen und humanitäre Kooperationsfragen behandelt wurden. Auch Vertreter akademischer Kreise trafen sich regelmäßig. Auf dem Papier bleibt alles weiter bestehen. Aber inzwischen bemüht man sich schon darum, dass die wichtigsten Fragen der regionalen Entwicklung nicht in diesen universalen Formaten entschieden werden, wo die Konsensregel gilt, sondern in kleineren Formaten (wie beispielsweise AUKUS), die künftig immer größer werden sollen, so dass in ihre Reihen immer neue Mitglieder aufgenommen werden.

Die Amerikaner scheuen sich nicht, offen zu sagen, dass ASEAN zwar zehn Mitglieder zählt, aber fünf von ihnen bereit sind, „ihren“ Weg zu gehen, während die anderen fünf noch nicht reif genug sind. Das ist im  Grunde ein Versuch, ASEAN zu spalten – und dabei haben die USA auch Erfolg. Im ASEAN entstehen immer neue interne Reibungen, seine Mitglieder sind verärgert, zum Beispiel Myanmar. Zum ersten Mal in der ASEAN-Geschichte wird ein Land bei der Teilnahme an Gipfeltreffen behindert.

Wir  arbeiten mit unseren Freunden. Indonesien ist gerade ASEAN-Vorsitzender. Ich war in Kambodscha beim Ostasiatischen Gipfel (am 13. November 2022) und beim G20-Gipfel auf Bali (am 15. und 16. November 2022). Unsere Kollegen aus dieser Region sind über die Entwicklung der Situation sehr besorgt. Ihre Beziehungen mit China waren nicht gerade problemlos. Sie wurden schon vor längerer Zeit Gegenstand des Dialogs zwecks Suche nach allseitig annehmbaren Entscheidungen. Was der Westen aber gerade tut, ist unter anderem auf Behinderung dieses Dialogs ausgerichtet. Dasselbe gilt auch für den OSZE-Raum: Dort galt das Konsensprinzip, wobei nach Einverständnis und einer Interessenbalance gesucht wurde. Das wurde aber von unseren westlichen Kollegen so gut wie vollständig zerstört. Im Jahr 2022 bemühte sich vor allem Polen als OSZE-Vorsitzender darum.

Im Asien-Pazifik-Raum werden jetzt ebenfalls Versuche unternommen, die regionale Architektur zu zerstören, die sich auf Konsens, Einverständnis und Kompromisssuche stützt, wobei sich jemand darum bemüht, Strukturen die Führungsrolle zu verleihen, die nach dem Blockprinzip gebildet  werden.

Frage: Meine Frage gilt Zentralasien. Ich war einen Monat lang auf einer Dienstreise in Usbekistan, ging durch Taschkent spazieren und beobachtete die Situation dort. Ich sah, dass das Interesse der russischen Geschäftskreise für Usbekistan größer wird. Ich sah auch viele Touristen, die nicht als größere Gruppen, sondern privat in dieses Land kamen. Wie entwickeln sich Stand jetzt die Beziehungen Russlands mit den Ländern der einstigen Sowjetunion bzw. Mittelasiens unter Berücksichtigung der Sanktionen, wenn die europäischen Unternehmer leider oder zum Glück weg sind? Wie verhält sich Europa zur Kooperation Russlands mit den EAWU-Ländern?

Sergej Lawrow: Die Beziehungen mit Mittel- und Zentralasien entwickeln sich intensiv. Neben bilateralen Beziehungen, die sich auf eine umfassende Rechts- bzw. Vertragsbasis und auf entsprechende Instrumente (unter anderem Regierungskommissionen für Wirtschaftskooperation und andere Themen, insbesondere für militärtechnische und humanitäre Kooperation) stützen, gibt es auch kollektive Formate. Dort arbeiten wir mit unseren zentralasiatischen Partnern ebenfalls intensiv zusammen. Vor allem sind das die GUS, die SOZ; mit Kasachstan und Kirgisien wirken wir auch in der EAWU und der OVKS zusammen, wo drei zentralasiatische Länder (Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan) vollberechtigte Mitglieder sind.

In den vergangenen Jahren entwickeln wir auch das zusätzliche 5+2-Format (Zentralasiatische Fünfergruppe plus Russland). In diesen zwei Jahren fanden mehrere Treffen auf dem Niveau der Außenminister statt. Alle Freunde haben dieses Format begrüßt. Im Herbst 2022 fand in Astana das erste Gipfeltreffen „Russland-Zentralasien“ auf dem Niveau der Präsidenten statt. Es wurde ein Dokument vereinbart, das auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit an konkreten Themen in diesem Format ausgerichtet ist, die die wichtigsten Entwicklungsthemen der Region betreffen. Wir werden dieses Zusammenwirken fortsetzen.

Was andere unsere Partner in Zentralasien angeht, so wird ihre Zahl immer größer. Noch lange vor den aktuellen Ereignissen zeigten alle wichtigsten Akteure ihr Interesse für diese Region: die EU, die USA, Japan, Indien, China, die Türkei, der Iran und Südkorea. Praktisch mit allen diesen Staaten hat Zentralasien Kooperationsformate (5+1). Anhand der Informationen, die wir aus Pressemitteilungen sowie bei den Kontakten mit unseren zentralasiatischen Partnern erfahren, schlussfolgern wir, dass nicht alle Kollegen, die in Zentralasien arbeiten, das ohne Diskriminierung anderer Länder tun. So sagen wir unseren Partnern im Rahmen der GUS, der EAWU, der OVKS oder der SOZ, wie auch bei unseren Treffen mit Kollegen aus Zentralasien nie, dass sie mit diesen oder jenen Ländern keine Kontakte pflegen dürfen, weil wir „gemeinsam gegen jemanden auftreten sollten“. Wir tun nie so etwas – anders als die USA, die EU oder Japan. Wenn sie sich mit Zentralasiaten treffen, sagen sie ihnen offen, dass sie sich nicht auf Russland verlassen sollten, weil dieses den Krieg gegen den Westen (sie machen ja kein Hehl daraus, dass es nicht die Ukraine ist, sondern der Westen) verliert – und deshalb sollten sie auf die Siegerseite setzen. So ist ja ihre Sprache. Das ist ein weiterer Beweis für die Manieren und die Mentalität der westlichen Partner.

Neben solchem verbalen Einfluss setzt der Westen diese Länder unter Druck und droht ihnen, sie könnten ihre Absatzmärkte oder Investitionen verlieren, falls sie Russland helfen sollten, die Sanktionen zu umgehen. In manchen Fällen müssen unsere Partner (und zwar nicht nur in Zentralasien) Rücksicht darauf nehmen, dass wenn sie Unternehmen haben, die weltweit an diversen Projekten beteiligt sind, werden sie wohl nicht der Einhaltung der Sanktionen zustimmen. Es gibt Unternehmen, die solche Risiken eingehen.

Wir bestehen nicht darauf, dass alle Unternehmen in jedem freundlichen Land laut und deutlich erklären, dass sie gegen die antirussischen Sanktionen sind. Uns genügt es, dass niemand von ihnen sich diesen Sanktionen angeschlossen hat und dass wir mit jedem von diesen Ländern (wie auch mit unseren Partnern in anderen Regionen) an neuen Mechanismen erfolgreich arbeiten, die von den Kapricen und von der Willkür unserer  westlichen Kollegen unabhängig bleiben werden.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Präsident Selenski hat gesagt, dass die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bald Kiew besuchen werde, und dass er die Position Italiens hoch zu schätzen wisse, das die Ukraine unterstütze. Der italienische Außenminister Antonio Tajani sagte seinerseits, Italien plädiere für eine diplomatische Lösung sowie für eine Vermittlung seitens der UNO und Chinas. Wie schätzen Sie die Position Italiens im Kontext der Beziehungen zwischen Russland und Italien ein?

Sergej Lawrow: Sie ist für uns ungefähr vergleichbar mit der Position Griechenlands und Zyperns, von denen ich schon gesprochen habe.

In den vorigen Jahren waren das einige der am meisten freundlichen Länder uns gegenüber. Wir hatten etliche gemeinsame Veranstaltungen, insbesondere auf den Gebieten wie Kultur und Bildungswesen. Der Wirtschaftsbereich diente ebenfalls den gegenseitigen Interessen. Die Schnelligkeit, mit der Italien nicht nur ins Lager der Kräfte gewechselt ist, die die Sanktionen unterstützt haben, sondern auch die Kampagne von antirussischen Handlungen und auch der antirussischen Rhetorik mitanführt (so war das jedenfalls unter der früheren Regierung), war tatsächlich überraschend für uns.

Ich mag das italienische Volk sehr. Seine Traditionen, seine Lebenseinstellung stimmt großenteils mit der Lebenseinstellung vier Menschen in Russland überein, beispielsweise im Kaukasus. In Moskau und St. Petersburg finden Sie viele Menschen, die den Lebensgenuss der Italiener wirklich bewundern.

Ich erlaube es mir, zu sagen, dass die  aktuelle Reaktion Italiens auf die Ereignisse eher die Europa aufgedrängte Einstellung auf aggressive Konfrontation und nicht die Interessen des italienischen Volkes widerspiegelt. Ich sehe nicht, dass das italienische Volk daran interessiert wäre, neue Hindernisse zu errichten, gegenseitige Verbindungen zu zerstören, den gegenseitigen Verkehr zu stoppen und sich generell abzuriegeln bzw. irgendeine neue Mauer zu bauen.

Sie haben doch dort eine Koalition. Ich habe gehört, dass dort vor kurzem Silvio Berlusconi einige Male auftrat und dass er ebenfalls seinen Beitrag zur Entwicklung der Russland-Nato-Beziehungen einschätzte. Er war nämlich der Initiator des Gipfeltreffens in Pratica di Mare im Jahr 2002, das auf Basis der Russland-Nato-Grundakte von 1997 einberufen wurde. Damals gab es viele Hoffnungen, die mit dieser Verpflichtung (ich betone abermals, dass das in den Akten so formuliert  war) Russlands und auch der Nato-Länder verbunden waren, ihre eigene Sicherheit nicht auf Kosten anderer zu fördern und zu verhindern, dass irgendeine Organisation im Sicherheitsbereich in Europa dominiert. Ich denke nicht, dass ich jetzt erläutern muss, wer diese Verpflichtung verletzt hat.

Was Aufrufe zu Verhandlungen angeht, so macht sich praktisch jedermann damit. Und dann wird der Sicherheitsberater  des US-Präsidenten, Jake Sullivan, irgendwo auf einer Pressekonferenz sagen (was er ab und zu auch tut), dass es nicht der beste Zeitpunkt für Verhandlungen sei, dass sie der Ukraine helfen müssen, ihre Positionen „auf dem Schlachtfeld zu verbessern“. Der Westen und Europa haben keine einheitliche Position bezüglich der „Suche“ nach friedlicher Regelung. Das wird alles gesagt, damit es im TV gezeigt oder in Zeitungen veröffentlicht wird, dass jemand für friedliche Regelung plädiere, und Präsident Putin wolle sie angeblich nicht. Wir sehen das alles ein.

Frage: Wie schätzen Sie in der aktuellen Situation die Beziehungen zwischen Russland und den Ländern Lateinamerikas ein?

Sergej Lawrow: Ich finde, dass unsere Beziehungen einen Aufschwung erleben, wie auch praktisch mit allen Entwicklungsregionen der Welt. Wir haben einen Mechanismus auf der Ministerebene geschaffen, der die Vorgehensweisen Russlands und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) vereinbaren soll. Es haben paar Treffen unter Beteiligung Russlands und von vier CELAC-Ländern stattgefunden. Dann musste alles Corona-bedingt verschieben werden. Aber in der nächsten Zeit werden wir diese Zusammenarbeit wiederaufnehmen.

Natürlich haben wir Länder, mit denen wir lange kooperieren, und mit denen diese Kooperation länger dauert und tiefer und intensiver ist als mit anderen Ländern der Region. Vor allem sind das Kuba, Venezuela und Nicaragua. Wir legen viel Wert auf die Geschichte unserer Beziehungen, auf die Solidarität bezüglich der meisten Fragen der Weltpolitik. Wir unterstützen uns immer gegenseitig bei Abstimmungen in der UN-Vollversammlung.

Kuba ist bekanntlich das Objekt von illegitimen, einseitigen US-Sanktionen – noch seit den Zeiten der Kuba-Revolution. Für Fortsetzung dieser Sanktionen stimmen nur die USA. Manchmal genießen sie die Unterstützung anderer Inselstrukturen. Die absolut meisten UN-Mitglieder stimmen dafür, dass diese illegitime Blockade unverzüglich aufgehoben wird.

Indem wir  die Beziehungen mit unseren langjährigen Partnern, die ich eben erwähnt habe, entwickeln, sind wir daran interessiert, dass auch andere Länder Lateinamerikas zu unseren Prioritäten gehören. Wir haben keine „Monroe-Doktrin“. Wenn wir in diese Region gehen, bringen wir keine Risiken oder Drohungen mit, dass wir dieses oder jenes Land unseren Interessen unterstellen oder gewisse politische Kräfte an die Macht bringen.

In den letzten 20 Jahren hatten wir immer gute Beziehungen mit allen Ländern der Region, egal ob diese Region nach links tendierte oder nach der jüngsten Wahl sich nach rechts bewegte. Wir werden diese Beziehungen auch weiter entwickeln.

Erst vor wenigen Tagen fand die Amtseinführung des neuen Präsidenten Brasiliens, Luiz Inácio Lula da Silva, statt. Präsident Putin hat mit ihm telefoniert. Außerdem hat er auch mit dem Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro gesprochen und sich bei ihm für das Zusammenwirken bedankt. Ich nahm Kontakt mit meinen brasilianischen Kollegen auf. Gestern habe ich die Botschaft Brasiliens in Moskau besucht und meine Unterschrift im Kondolenzbuch zum Tod des großen Fußballers Pelé hinterlassen. Ich sprach auch mit dem brasilianischen Botschafter Rodrigo Baena Soares über unsere Zukunftspläne.

Argentinien, Mexiko, Bolivien, Peru… Ich will jetzt niemanden auslassen. Wir sind an allseitig nützlicher Kooperation mit allen diesen Ländern interessiert. Wir möchten auch, dass Lateinamerika seine lateinamerikanisch-karibische Einheit  festigt.

Brasilien teilte mit, dass es (soweit ich verstehe) in die CELAC zurückkehrt. Damit könnte diese gesamtregionale Vereinigung schon in der nächsten Zeit ihre Arbeit wiederaufnehmen. Wir hoffen, dass die CELAC eine immer wichtigere Rolle bei der Lösung von Schlüsselfragen spielen wird, die bei der Etablierung der schon öfter erwähnten multipolaren Welt entstehen.

Brasilien ist BRICS-Mitglied. Auch Argentinien zeigt Interesse an der Teilnahme an dieser Vereinigung. Soweit ich verstehe, haben auch einige andere lateinamerikanische Länder dieselben Absichten.

Wir sind bereit, in der aktuellen Phase im Format BRICS+ zu arbeiten. Die Mitgliedsländer des Quintetts sind sich diesbezüglich einig. Neben unseren chinesischen Freunden arbeiten wir intensiv daran, dass die Kriterien abgesprochen werden, denen zufolge auch andere Länder sich den BRICS-Ländern anschließen könnten. Wenn wir über die Interessen der ganzen lateinamerikanischen Region sprechen, dann wäre es wohl sinnvoll, dass in der CELAC Fragen behandelt werden, die auf der BRICS-Tagesordnung stehen. Und dass die lateinamerikanischen Länder, die an BRICS beteiligt sind, auch die Interessen anderer Länder – ihrer CELAC-Partner widerspiegeln. Russland hat den Beobachterstatus  im Zentralamerikanischen Integrationssystem. Es entwickeln sich unsere Kontakte auch mit dem Zentralasiatischen Parlament. Zudem sind wir Beobachter im Verband der Karibischen Staaten.  Wir pflegen auch enge Kontakte mit dem MERCOSUR, der Andengemeinschaft, mit dem ALBA-Verband, der meines Wissens wieder eine wichtigere Rolle spielen könnte, worüber wir sehr freuen würden.

Wir wissen hoch zu schätzen, dass kein einziges Land Lateinamerikas und der Karibik außer vielleicht der Bahamas die Russland-Sanktionen befürwortet haben.

Deshalb ist der russische Export nach Lateinamerika im vergangenen Jahr um knapp zehn Prozent gewachsen. Unsere Verbindungen im kulturellen und humanitären Bereich werden immer enger. Vor kurzem fanden in Moskau, St. Petersburg und mehreren anderen Städten Veranstaltungen zum 100. Geburtstag des herausragenden Forschers Juri Knorosow statt, der bekanntlich die Maya-Schrift entziffert hatte, wofür er in Mexiko und auch anderen Ländern der Region verehrt wird. Tausende Lateinamerikaner (vor allem Kubaner) studieren an unseren Universitäten. Kuba, Venezuela und andere Länder werden immer populärer unter russischen Touristen. Mit 27 von 33 Ländern Lateinamerikas und der Karibik haben wir bereits Abkommen über visafreie Reisen was Kontakte zwischen einfachen Menschen stimuliert.

Frage (übersetzt aus dem Englischen): Sie reden vom Respekt für die UN-Charta. Welchen Respekt für das Völkerrecht haben Sie gezeigt, als Sie am 24. Februar 2022 Ihre Truppen in die Ukraine einführten?

Sergej Lawrow: Um vom Respekt für die UN-Charta zu reden, genügt es nicht, eine so einfache Frage zu stellen, die man einfachen Amerikanern leicht „verkaufen“ kann, die aber bei einem seriösen Publikum eine andere Herangehensweise verlangt.

Gleich am Anfang habe ich das wichtigste Prinzip der UN-Charta zitiert, das lautet: Auf die souveräne Gleichheit der Staaten stützen sich die Vereinten Nationen. Wenn Sie Interesse dafür zeigen, brauchen Sie nicht so viel Zeit, um sich zu überzeugen, dass die USA Tag für Tag auf dieses Prinzip der souveränen Gleichheit pfeifen.

Angesichts der Situation in der Ukraine hat Russland erklärt, warum es so vorgeht. Die USA und ihre Satelliten haben uns verurteilt. Wenn Sie aber die souveräne Gleichheit der Staaten respektieren (und Sie müssen sie respektieren), dann sollten Sie allen anderen die Möglichkeit geben, sich laut dem demokratischen Prinzip zu entscheiden, ob sie für Russland Verständnis haben oder nicht, ob sie auf der Seite Russlands oder der USA sind. Aber diese Länder bekommen keine solche Möglichkeit. Die Vereinigten Staaten, vertreten durch ihre Botschafter und Sonderbeauftragten, erniedrigen sich tagtäglich, indem sie  durch die ganze Welt reisen und von allen verlangen, Russland zu verurteilen. Ist das etwa die souveräne Gleichheit der Staaten? Sie erpressen andere Länder. Die Amerikaner sagen, dass wenn diese Länder Russland nicht verurteilen sollten, sollten sie daran denken, dass sie ihre Gelder bei der Chase Manhattan Bank haben, dass ihre Kinder an der Stanford University studieren – das sagen sie ganz offen. Das ist aber unwürdig und erniedrigend für eine Großmacht.

Die UN-Charta ist gar nicht so groß.  Sie können sie gerne lesen, wenn Sie Interesse daran haben. Der Charta zufolge sind die souveräne Gleichheit der Staaten und das Prinzip der Selbstbestimmung der Völker (dieses ist als erstes erwähnt) am wichtigsten, wie auch das Prinzip der territorialen Einheit der Staaten. Diese zwei Prinzipien, die in der Charta auf einem Level erwähnt sind – Selbstbestimmung der Völker und territoriale Einheit der Staaten – riefen gleich am Anfang (also seit der Gründung der UNO, seit der Verabschiedung und Ratifizierung der UN-Charta) die Frage hervor, was die größte Priorität hat. Es wurde ein spezielles Verfahren vereinbart, wobei die UN-Mitglieder mehrere Jahre lang auch dieses Problem behandelten, wie auch andere Fragen, die mit der Deutung der Charta verbunden waren. Am Ende wurde 1970 die Erklärung über die Völkerrechtsprinzipien verabschiedet (und sie hat immer noch ihre juristische Kraft), die Freundschafts- und Kooperationsbeziehungen zwischen Staaten im Sinne der UN-Charta betreffen. Eines der Kapitel ist dem Prinzip der Selbstbestimmung der Staaten gewidmet, dem zufolge das Prinzip universal ist, dass es das Prinzip des Respekts für territoriale Einheit gibt und dass alle verpflichtet sind, das Prinzip der territorialen Einheit zu respektieren, wenn es um Staaten geht, deren Regierungen das Selbstbestimmungsprinzip einhalten und Interessen aller Völker repräsentieren, die auf diesem Territorium leben. Laut der Charta müssen wir die territoriale Einheit der Staaten respektieren, deren Regierungen die ganze Bevölkerung ihrer Länder vertreten.

Als es in der Ukraine 2014 zum Staatsstreich kam, nachdem die US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland Terroristen mit Keksen gefüttert hatte, haben die Amerikaner die Putschisten sofort anerkannt. Und Europa, auf das die Amerikaner gepfiffen hatten und dessen Garantien und Vereinbarungen mit dem ukrainischen Präsidenten sie ignoriert hatten… Sie wissen wohl noch, was Victoria Nuland dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, gesagt hat, was man mit der Europäischen Union tun sollte (das war ein Wort aus vier Buchstaben).

Die an die Macht gekommenen Putschisten erklärten, dass sie Russen von der Krim verdrängen würden, und als die Krim und die Ostukraine erklärten, dass sie die Kräfte, die die Macht nach dem Blutigen Machtsturz illegitim erobert hatten, nicht akzeptieren wollten, wurde ihnen ein regelrechter Krieg erklärt. Diesen Krieg führten die Putschisten gegen ihr eigenes Volk. Sie haben im Haus der Gewerkschaften in Odessa 48 Menschen lebendig  verbrannt. Dafür gibt es ja Videobeweise, die  für jedermann zugänglich sind. Zu diesem Zweck muss sogar kein Tribunal eingerichtet werden – man kann einfach alles sofort besprechen. Die Namen der Menschen, die aus Pistolen auf Menschen schossen, die  aus dem brennenden Haus sprangen, nur um sich zu retten, sind bekannt. Die ukrainischen Behörden leiteten damals ein Strafverfahren gegen die Menschen, die verbrannt worden waren. Die ganze progressive Weltgemeinschaft, die sich an den „Regeln“ der Amerikaner richtet, zeigt jedoch kein Interesse für diese Situation. Da gab es viele Ereignisse, die sich als Kriegsverbrechen deuten ließen.

Kann man denn diejenigen, die damals an die Macht gekommen waren, als Regierung betrachten, die die Interessen der ganzen ukrainischen Bevölkerung in den damaligen Grenzen vertrat? Kann man denn die Administration Pjotr Poroschenkos als solche Regierung betrachten, der zum Präsidenten gewählt wurde, nachdem er versprochen hatte, in einer Woche den Frieden in Donbass zu vereinbaren, doch bald darauf erklärte, „wir werden sie fertig machen“, „unsere Kinder werden in Schulen und Kindergärten gehen, während ihre Kinder in Kellern sitzen werden“ (das sagte der Präsident des Landes, dessen Teil Donbass war, wohlgemerkt). Vertrat er denn in diesem Moment die Interessen der Menschen, die er beleidigt hat?

Manche Menschen hegten die Hoffnung, unter Wladimir Selenski würde sich die Situation verändern. Auch er kam an die Macht, weil er als „Präsident des Friedens“ gewählt wurde und zu verstehen gab, dass die Serie „Der Diener des Volkes“, in der sein Protagonist Oligarchen entmachtete und im Namen einfacher Menschen handelte, sein Ideal wäre. Doch im November 2021 sagte er in einem Interview (ich habe das bereits erwähnt) auf eine Journalistenfrage, was er von den Menschen in Donbass denkt, es würde „Menschen und „Individuen“ geben. Und im August hatte er den Menschen, die in der Ukraine leben, sich aber als Russen wahrnehmen, empfohlen, im Interesse ihrer Kinder und Enkelkinder nach Russland „abzuhauen“.

Wenn Sie mir gleich sagen, Selenski würde mit dieser Position die Interessen der ganzen ukrainischen Bevölkerung vertreten, die er in den Grenzen von 1991 sehen will, dann haben wir wohl nichts mehr zu besprechen. Aber das ist die einzige Deutung, die vom internationale Gericht anerkannt wird, wenn es um das Verhältnis zwischen dem Selbstbestimmungsrecht und dem Respekt für territoriale Einheit  geht.

Mich würde das Verhalten amerikanischer Journalisten zur Aggression gegen Jugoslawien interessieren. Die Zeitschrift „Time“ erschien damals mit der Überschrift: „Die Serben zum Frieden nötigen. Massive Bombenangriffe öffnen die Tür zum Frieden“. In Ihren Archiven finden sich bestimmt etliche  Berichte über den Krieg gegen den Irak, über den Krieg gegen Libyen, über die US-Invasion nach Syrien oder Afghanistan. Da wurde Kassettenmunition eingesetzt – und es wurden wohl Teilnehmer von vielen Hochzeiten vernichtet, oder? Es wäre ja interessant, die damalige und jetzige Situation zu vergleichen.

Ich habe Ihnen das begründet, was die Basis unseres Vorgehens aus der Sicht des Völkerrechts bildet. Die Volksrepubliken Donezk und Lugansk konnten nicht unter der Regierung leben, die sie offen zu „Terroristen“, „Unmenschen“ und „Untermenschen“ abgestempelt hatte und jeden Tag ihre Kindergärten und Schulen bombardierte.

Es ist neulich zum Zwischenfall in Dnepropetrowsk gekommen. Ein ukrainischer „Experte“ hat die Frage, was passiert ist, beantwortet. Es wurde allen klar, dass die ukrainische Luftabwehr wider alle Gesetz der Kriegsführung, wider das humanitäre Völkerrecht in Wohnvierteln stationiert war bzw. ist. Und das war eben der Grund, warum die Rakete dieses Haus getroffen hat. Aber solche Bilder gab es während der achtjährigen Aggression Kiews gegen sein eigenes Volk in Donbass jede Menge. Unsere Journalisten, Kriegskorrespondenten zeigten live die Wahrheit dort – und das hatten sie noch vor den Minsker Vereinbarungen getan. Und schon nach der Unterzeichnung der Minsker Vereinbarungen befanden sie sich tagtäglich an der Trennungslinie auf der Seite der Volksrepubliken Donezk und Lugansk – und zeigten, wie die Bombenangriffe ukrainischer Neonazis den zivilen Sektor zerstörten, Menschen töteten, Kindergärten, Kantinen, Schulen zerstörten. Und auf der Gegensete gab es keine Journalisten, die sich permanent an der Trennungslinie befunden hätten. Manchmal erschienen dort BBC-Korrespondenten und drehten ziemlich ehrliche Reportagen. Aber sie begriffen sehr schnell, dass diese Reportagen bestätigten, dass Schäden für die zivile Infrastruktur auf der ukrainischen Seite viel geringer waren, während die Volksrepubliken Donezk und Lugansk nur ukrainische Angriffe erwiderten. Dieser Fakt wurde von der OSZE registriert, allerdings nicht sofort. Wir hatten mehr als ein ganzes Jahr lang verlangt, dass die OSZE-Beobachter in ihren Berichten nicht nur die Zahl von zerstörten zivilen Infrastrukturobjekten und von gestorbenen friedlichen Einwohnern angeben, sondern auch präzisieren, von welcher Seite es wie  viele Zerstörungen und Opfer gab.

Und sobald es uns gelungen war, die Veröffentlichung dieses Berichts voranzubringen, wurde es sofort klar, dass es auf der Donezker und Lugansker Seite  fünf Mal mehr Zerstörungen gab als auf der Seite des Kiewer Regimes, gegen die nur Gegenfeuer geführt worden war.

Man empört sich über jedes Bild, auf  dem irgendwelcher Schaden zu sehen ist, der dem ukrainischen Regime zugefügt wurde. Aber dieselben Personen waren stumm geblieben, wenn wir zeigten, was ukrainische Nazis  mit friedlichen Einwohnern, mit Kindern, Greisen, Frauen taten.

Die Geschichte wird natürlich schon zeigen, wer Recht und wer Unrecht hatte, aber das Völkerrecht darf man nicht vergessen.

Maria Sacharowa: Was den Pathos angeht, so denke ich, dass auch Journalisten von der Krim und aus Donbass hätten pathetisch sein können, wenn sie all diese acht Jahre solche Fragen hätten stellen dürfen, die jetzt Vertreter von angelsächsischen Medien stellen. Aber sie hatten keine solche Möglichkeit: Ihnen wurde Ausstellung von Visa und Akkreditierungsausweisen für solche Pressekonferenzen im Westen verweigert. Übrigens wurde es auch unseren akkreditierten Journalisten verboten, nicht nur ihre Fragen zu stellen, sondern auch solche Veranstaltungen zu besuchen.

Frage: Soweit ich weiß, fliegen Sie morgen nach Minsk. Was erwarten Sie von diesem Besuch? Wie schätzen Sie das Niveau der Kooperation Weißrusslands und Russlands auf internationalen Plattformen ein? Warum unterstützen Ihre Partner im Rahmen der GUS, der EAWU, der OVKS nicht immer Weißrussland und Russland, wenn in internationalen Strukturen abgestimmt wird?

Sergej Lawrow: Was meine Erwartungen angeht… Wenn ich nach Minsk reise, geht es für mich nicht um  Erwartungen, sondern um den Vorgeschmack. Das sind immer nützliche Besuche aus  professioneller Sicht – und immer angenehme. Ich liebe diese Stadt, die traditionelle Gastfreundlichkeit, die ich auf Schritt und Tritt genieße.

Jedes Jahr finden Sitzungen der zwei Kollegien der Außenministerien Russlands und Weißrusslands statt – zusätzlich zu den jährlichen Visitenaustauschen der Minister.

Morgen findet die nächste Sitzung statt. Sie war noch für Dezember 2022 geplant, musste aber wegen des Todes des Außenministers Wladimir Makej verschoben werden.

Auf der Tagesordnung stehen Fragen, von denen wir gerade sprechen. Die Probleme der Weltordnung, unserer Beziehungen mit der Nato, der Europäischen Union, dem Europarat, der OSZE… Diese Strukturen vereinigen sich inzwischen in einen einheitlichen Organismus, die den Willen des einzigen Lehnsherrn erfüllen. Das ist auch in der OSZE sichtbar.

Wir werden auch konkrete Richtungen unserer diplomatischen Aktivitäten offen besprechen, insbesondere Resolutionen, die in verschiedenen UN-Gremienverabschiedet werden, sowie diverse Fragen der außenpolitischen Koordinierung. In der GUS und der OVKS haben wir Pläne zu gemeinsamen außenpolitischen Aktivitäten. Diese kommen in gemeinsamen Erklärungen zum Ausdruck, die in der OVKS vorbereitet werden (für die GUS  gilt das eher weniger). Es ist manchmal nicht so einfach, sich zu einigen. Unsere OVKS-Partner haben Probleme, die in ihren Beziehungen mit dem Westen entstehen, und zwar wegen seines Drucks. Sie haben auch gewisse wirtschaftliche Schwierigkeiten. Wir bemühen uns gemeinsam mit unseren weißrussischen Partnern um eine einfache Linie: Wir sind für eine Mehrvektoren-Politik. Niemand will künstlich die Verbindungen mit Partnern beschränken. Dabei verstehen beide Seiten, dass niemand von ihnen die Führungsrolle spielt bzw. „mitgeschleppt“ wird, dass es sich um die Beziehungen von zwei gleichberechtigten Staaten handelt, die sich auf  die Interessenbalance stützen. Bei der Besprechung von manchen Projekten profitieren beide bzw. mehrere Teilnehmer, falls es mehr als zwei Seiten gibt. Was den Umfang des Handels, der Investitionen, der humanitären Verbindungen innerhalb der OVKS-Länder angeht, so ist er viel größer als der Umfang der Aktivitäten des Westens im postsowjetischen Raum.

Manchmal kommt es vor, dass Russland, Weißrussland und andere Länder solidarisch stimmen, wobei jemand sich der Stimme enthält. Bei uns gibt es im Unterschied zur Nato keine solche Manneszucht, wenn jemand für einen Schritt nach rechts oder links sofort bestraft wird. Es gibt Länder, die mit dem aggressiven Vorgehen der Nato im Kontext der Ukraine-Krise, mit ihrer mangelhaften Flexibilität nicht einverstanden sind. Diese Kritik gibt es nicht so viel, aber es gibt sie immerhin. Aber wenn abgestimmt wird, dann handeln alle gleich. Meines Erachtens ist solche Manneszucht schädlich.

Ich wünsche mir, dass die Solidarität im Rahmen unserer Unionsstrukturen 100-prozentig wird. Wir arbeiten daran. Das verlangt Erläuterungen und individuelle Herangehensweisen in jedem Einzelfall.

Wir machen kein Hehl daraus, dass wir Schwierigkeiten wegen der aktuellen Situation in Armenien haben. Unsere armenischen Freunde plädierten für Entsendung einer OVKS-Mission an ihre Grenze mit Aserbaidschan, damit diese dort für Stabilität sorgt. Beim jüngsten Gipfel in Jerewan haben wir ein solches Dokument abgesprochen, das die Parameter dieser Mission bestimmen wird. Es konnte allerdings nicht vereinbart werden, weil unsere armenischen Kollegen darauf bestanden, dass Aserbaidschan in diesem Dokument verurteilt werden sollte. Wir erläuterten, dass es um Verurteilung, Rhetorik, Schilderung der Positionen geht, aber jeder darf dabei tun, was er will. Doch wenn wir eine OVKS-Mission hinschicken wollen, dann ist das nicht von „äußeren Merkmalen“ und harten Erklärungen bedingt. 

Wir sind nach wie vor bereit, die OVKS-Mission an die armenisch-aserbaidschanischen Grenze  zu entsenden. Aber obwohl wir Verbündete sind und obwohl diese Mission vollständig  bereit ist, zieht die armenische Seite es vor, mit der Europäischen Union darüber zu verhandeln, dass dort eine zivile Beobachtungsmission untergebracht wird.

Das ist Armeniens gutes Recht. Aber man sollte nicht vergessen, dass es und seine Grenze an Aserbaidschan geht. Wenn diese Mission ohne seine Zustimmung stationiert werden sollte, dann wäre das kontraproduktiv. Statt der Vertrauensfestigung an der Grenze  könnten dadurch zusätzliche Störfaktoren entstehen. Das ist die objektive Situation.

Man sollte jede Region der OVKS – die  Zentralasiatische und die Kaukasische – kreativ genug herangehen und den ganzen Umfang der Probleme einsehen, die bei der Entwicklung jedes von unseren Staaten entstehen. Sie werden unter Druck gesetzt. Wir haben schon darüber gesprochen, wie viele Partner von außerhalb an der Entwicklung von besonderen Beziehungen mit Zentralasien interessiert sind. Manche sind daran interessiert, dass der Sicherheitsaspekt in die Kooperationspläne aufgenommen wird. Aber alle unsere Partner verstehen sehr gut, dass es keine Differenzen mit ihren Verpflichtungen im Rahmen der OVKS geben wird. Das versichern uns auch unsere armenischen Freunde.

Es muss ein offenes und ehrliches Gespräch der Präsidenten her – wie das beim OVKS-Gipfel in Jerewan war. In seinem Vorfeld hatte es auch ein solches Gespräch der Außenminister und ihrer Experten gegeben. Man sollte alle seine Besorgnisse und Schwierigkeiten, die diese oder jene Seite hat, offen ansprechen. Wenn wir offen sprechen, können wir immer eine gemeinsame Lösung finden.

Frage: Sie haben schon häufiger Japan im Kontext seiner Militarisierung erwähnt. Wie beeinflusst der Ausbau seines militärischen Potenzials das Zusammenwirken Russlands und Japans? Kann man Stand jetzt von Kooperationskanälen sprechen?

Sergej Lawrow: Im November 2022 hat der russische Botschafter in Japan, Michail Galusin, seinen Posten verlassen. Wird ein Ersatz vorbereitet?

Als Armenierin muss ich  einfach das Problem um den Latschin-Korridor ansprechen. In welcher Phase befindet sich die Regelung dieser Frage?

Sergej Lawrow: Ich denke, für Japan ist die dritte Frage am wichtigsten.

Wir haben Beziehungen. Wir haben unsere Botschaft. Auch Japan hat hier seine Botschaft. Ein Ersatzmann für Michail Galusin wird bald nach Tokio fliegen. Wir haben gar nicht vor, diesen Prozess zu behindern. Wir halten es für wichtig, immer die Möglichkeit zu haben, uns die Meinung unserer Partner anzuhören und unsere eigenen Besorgnisse zum Ausdruck zu bringen. An irgendwelche Kontakte außer den Botschaften in Tokio und Moskau kann ich mich jetzt nicht erinnern. Unsere japanischen Kollegen, wie auch alle anderen Länder, die sich auf ihre eigene den Sanktionen angeschlossen haben, haben alle diese Kontakte auf Eis gelegt. Sie leisten sich ziemlich arrogante Aussagen. Wir hören uns das alles an. Und genauso wir im Kontext der Nato-Festigung in Nordeuropa, werden wir bestimmte Schlüsse ziehen, was die Förderung unserer Sicherheitsinteressen in der Nähe der japanischen Insel angeht.

Frage: Ich habe noch den Ausbau des japanischen Militärpotenzials angesprochen. Wie können Sie das kommentieren?

Sergej Lawrow: Ich habe schon gesagt, dass sich der Ausbau des japanischen Militärpotenzials kaum als positive Entwicklung der Situation bezeichnen lässt. Die Japaner verweisen dabei auf Nordkorea. Aber alle verstehen doch, dass gemeint sind auch noch Russland und die Volksrepublik China. Die Amerikaner machen kein Hehl daraus, wenn sie die Entwicklung der militärischen Infrastruktur und des Militärpotenzials Japans fördern. Es gibt eine ganze Kampagne zur Novellierung der japanischen Verfassung, damit Japans Streitkräfte ihren Pazifismus endgültig loswerden und an militärischen Einsätzen im Ausland teilnehmen könnten.

Das ist kaum ein Beweis für Japans Interesse an der Normalisierung der Beziehungen mit der Russischen Föderation.

Vor einigen Jahren, als noch am Friedensvertrag zwischen Russland und Japan intensiv gearbeitet wurde, sprachen unser Präsident und der Ministerpräsident Japans bei ihren regelmäßigen Treffen über diese oder jene Formulierungen, und gleichzeitig arbeiteten auch die Außenminister, ihre Stellvertreter und Experten daran. Irgendwann sagten die Japaner, dass sie keinen „großen“ Friedensvertrag brauchen, den wir ihnen anboten. Russlands Position war folgende: Ein Friedensvertrag in der Form, in der er gleich nach dem Krieg hätte unterzeichnet werden können, würde wohl eine Kapitulation bedeuten, das stimmt. Aber hier liegen die Grenzen. Wir werden in Frieden leben. Aber seit dieser Zeit sind mehrere Jahrzehnte vergangen. Ein solches Papier zu unterzeichnen, wäre wohl einfach respektlos gegenüber dem Niveau gewesen, das die russisch-japanischen Beziehungen zu dem Zeitpunkt schon erreicht hatten. Deshalb plädierten wirf einen umfassenden Friedensvertrag, in dem die Kooperationsprinzipien auf Basis des gegenseitigen Respekts, der gegenseitigen Interessen, der Gutnachbarschaft und die Richtungen des wirtschaftlichen und humanitären Zusammenwirkens enthalten wären. Und dann sollten auf dieser Basis die Grenzen festgelegt werden. Die Japaner weigerten sich und sagten, sie bräuchten kein pathetisches, sondern ein konkretes Dokument.

Die Diskussionen in Japan waren ganz einfach. Man wollte zunächst zwei Inseln bekommen – und dann könnte der Friedensvertrag unterzeichnet werden. Obwohl sich unser Präsident und der japanische Premier geeinigt hatten, dass die Reihenfolge umgekehrt sein sollte: zunächst der Friedensvertrag, wie das eigentlich das Moskauer Abkommen von 1956 vorsah.

Aber davon rede ich gar nicht – das ist alles Geschichte. Die Japaner bestanden darauf, dass wir ihnen zwei Inseln überlassen sollten, und dann würden sie es sehen. (Als Minister beschäftige ich mich ziemlich viel mit Japan, habe aber keine spezielle Ausbildung als Japan-Experte.) Ich fragte also einen sehr erfahrenen Experten für dieses Land, was er von dieser Situation hält. Und er sagte, dass der japanische Premier an der Entwicklung der Beziehungen mit Russland interessiert sei, dass regelmäßige gegenseitige Kontakte vorhanden seien, dass auch kulturelle Veranstaltungen organisiert werden. Aber wenn die Japaner irgendwann entscheiden sollten, dass sie diese vier Inseln nicht bekommen, würden sie sich sofort den größten Gegnern der Russischen Föderation anschließen. Das ist einfach ein Zitat, das ich gar nicht kommentieren will.

2022 wurde in der UN-Vollversammlung die von Russland initiierte Resolution über Bekämpfung der Heroisierung des Faschismus, Neonazismus und anderer Aktivitäten, die zur Eskalation moderner Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung, der Xenophobie etc. abgestimmt, und zum ersten Mal haben Japan, Deutschland und Italien dagegen gestimmt. Bis zuletzt hatten sie sich nur der Stimme entzogen. Und jetzt, wenn in der Ukraine nicht theoretisch, sondern praktisch der Nazismus heroisiert wird und alle Lebensbereiche umfasst, war diese negative Abstimmung der drei einstigen „Achsenländer“ durchaus kennzeichnend.

Was den Latschin-Korridor angeht, so habe ich gestern mit dem Außenminister Aserbaidschans gesprochen. Der Latschin-Korridor sollte laut der dreiseitigen Vereinbarung der Spitzenpolitiker vom 9. November  2020 offen für Güterbeförderung und den Menschenverkehr in beide Richtungen sein. Natürlich ist dort klar und deutlich verankert, dass keine Militärgüter befördert werden dürfen. Aserbaidschan wurden Informationen zur Verfügung gestellt (unsere Militärs analysieren sie gerade), dass die armenische Seite auf diesem Weg Minen transportiert hätte. Dann wurden sie wider die dreiseitigen Vereinbarungen zwecks Verminung von Territorien unweit der aserbaidschanischen Positionen verwendet. Da gibt es viele gegenseitige Vorwürfe.

Wir haben eine ganz einfache Sache vorgeschlagen: Das russische Friedenskontingent hat im Sinne der dreiseitigen Vereinbarungen die Vollmachten, diese Bewegungen zu kontrollieren und Fahrzeuge zu kontrollieren, damit sie keine verbotenen, nichtzivilen Güter transportieren.

Vor einigen Tagen fanden Treffen aserbaidschanischer Vertreter mit Vertretern Bergkarabachs unter Beteiligung des Befehlshabers des russischen Kontingent statt.

Ich denke, dass diese Frage in der nächsten Zeit geregelt wird.

Frage: Über Afrika haben wir heute noch gar nicht gesprochen. Heute plädierte die Außenministerin Südafrikas in einem Interview für die Nachrichtenagentur RIA Novosti dafür, dass ein antirussisches Gesetz aus dem US-Kongress abgerufen wird. Es sieht eine Bestrafung der afrikanischen Länder seitens der USA vor, die mit unserem Land kooperieren sollten. In diesem Interview sprach die Außenministerin viel über die Unzulässigkeit der westlichen Kolonialpolitik, von der Unzulässigkeit einseitiger Sanktionen gegen unser Land. Wie schätzt Moskau diesen Gesetzentwurf des US-Kongresses über Bekämpfung russischer Aktivitäten in Afrika ein. Inwieweit könnte dieses Gesetz unsere Kooperation mit den Ländern dieser Region beeinflussen?

Sergej Lawrow: Ich sehe dieses Gesetz genauso wie die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor. Was Ihre Frage angeht, wie es unsere Beziehungen mit Afrika beeinflussen könnte, so hat ihr Kommentar schon die Antwort darauf enthalten.

Nicht alle afrikanischen Länder können ihre offiziellen Vertreter beauftragen, ihre Position so klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen. Irgendwo könnten auch subjektive individuelle Faktoren eine Rolle spielen. Manche von unseren afrikanischen Kollegen würden wohl nicht so prinzipiell reagieren.

Aber ich habe keine Zweifel, dass selbst diejenigen, die solche Provokationen seitens der Amerikaner nicht kommentieren, trotzdem tief davon überzeugt sind, dass dieses Gesetz schädlich ist, und vor  allem für die Afrikaner.

Erstens werden sie nicht für Gleichberechtigte gehalten. Das ist die reine koloniale Mentalität in der neuen Dimension. Zweitens war noch Präsident Trumps Außenminister Mike Pompeo durch Afrika gereist und auf Pressekonferenzen und bei öffentlichen Veranstaltungen alle Länder aufgefordert, mit Russland und China nicht mehr zu handeln. Was Amerika angeht, so behauptete Pompeo, es handele mit Afrika nur dafür, dass diese Länder sich entwickeln und mehr Demokratie haben. So einfach war das. Aber das wird überall, auch in Afrika, so wahrgenommen, wie es auch verdient.

Wir planen gerade den zweiten Russland-Afrika-Gipfel, der vom 23. Bis 26. Juli in St. Petersburg stattfinden wird. Wir bereiten eine ganze Serie von Veranstaltungen vor. Es ist auch ein Geschäftsforum geplant, es werden Dokumente über Umbestimmung von Kooperationsmechanismen angesichts der Sanktionen und Gefahren, die Sie im Kontext des amerikanischen Gesetzentwurfs erwähnt haben. Dabei geht es um neue Instrumente der Handels- bzw. Investitionskooperation, um logistische Ketten, um Zahlungsverfahren usw. Es erfolgt der Übergang zum gegenseitigen Handel für nationale Devisen. Das ist kein schneller Prozess, aber er gewinnt allmählich an Intensität.

Übersetzt aus mid.ru



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