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Der mysteriöse Tod von Jörg Haider (7): „Wurde der Landeshauptmann politisch verfolgt, weil er brisante Informationen zur Finanzkrise besaß?“

Europa
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Haider wollte Österreichs Politik radikal umkrempeln +++ Er wollte die Große Koalition verhindern +++ “Zeit der Abrechnung“ +++ Viele sahen ihn schon als neuen Bundeskanzler +++ Mußte er deshalb sterben? +++

„Das letzte Wort hat das Volk und das letzte Wort hat der Wähler in einer Demokratie.“

Jörg Haider

„Ich habe Themen aufgebracht, die die Mächtigen irritiert haben, Missstände aufgedeckt. Sie hatten Angst davor, Wähler zu verlieren – zu Recht.“

Jörg Haider

„Haider ist vogelfrei.“

Schon immer war es Jörg Haiders Anliegen gewesen, den verkrusteten rot-schwarzen „Koalitions-Proporz“ aus SPÖ und ÖVP zu brechen, der die politischen Wahrheiten über so viele Jahre hinweg gepachtet zu haben schien und Österreich als ihr „Beutestück“ ansah.

Deshalb wollte Haider die Politik in der Alpenrepublik gründlich und radikal ändern, nach dem Motto: „Soviel Freiheit wie möglich, so wenig Staat wie notwendig.“

„Denn die Bürger wollen heraus aus diesem System westlicher Mandarine, die sich … noch immer in der Sänfte durchs Land tragen lassen und für diese Art der politischen Apartheid vom Volk auch noch Dankbarkeit erwarten.“

Österreich, so Haider weiter, würde von „Parteien beherrscht, deren Repräsentanten ihre politische Erfolglosigkeit durch Missbrauch der Macht und subtile wie brutale Unterdrückung auszugleichen versuchen.“

Jedes seiner Worte war wie ein Schlag in die erhabenen Gesichter der verwöhnten Altparteien, die sich die politische Macht im Lande aufgeteilt hatten.

Haider war es schließlich auch, der ihre Privilegien aufdeckte und anprangerte und – vor allem – ihnen durch Wahlsiege Mandate in Gemeinden, Kammern, Land und Bund wegnahm.

„Konkret hat er (Haider/d.A.) vor allem in den achtziger und neunziger Jahren darauf hingewiesen, dass wir in einem rot-schwarzen Kartell lebten. Das war für mich die allerwichtigste Geschichte. Dass einer da war und gesagt hat, dass 150 Prozent dieser Republik aufgeteilt sind in einem Kartell“, sagte Gerhard Hirschmann, ehemaliger ÖVP-Landesrat in der Steiermark. „Es ist ja alles nach wie vor, ja mehr denn je, diesem rot-schwarzen Kartell zu- und untergeordnet. Man kann sagen: Ja, er (Haider/d.A.) hat das nicht nachhaltig geändert, aber er sorgte dafür, dass dieses System erschüttert und durchgerüttelt wurde. Dass diverse Schamlosigkeiten nicht total ausgelebt wurden.“

Deshalb hatten die Parteieminenzen am 28. September 2008 vor, während und vor allem nach der Nationalratswahl in gewisser Weise Angst vor Jörg Haider. Angst vor dem schon Totgesagten, dem wohl einzigen Politiker auf der Austro-Bühne mit Charisma, der alle anderen wie farblose Schablonen neben sich aussehen ließ, der plötzlich, wie ein Phönix aus der Asche, wieder auf der bundesweiten Politikbühne aufgestiegen war und dessen BZÖ-Stern hell über der Nationalratswahl leuchtete. „Nach jener von Lazarus ist meine Auferstehung die eklatanteste der Geschichte, glaube ich“, sagte er in seiner ihm eigenen Art.

Und für wahr: Fast aus dem Stand konnte er mit dem „Bündnis Zukunft Österreich“ das Ergebnis von 2006 fast verdreifachen (2006: 4,1 Prozent, 2008: 10,7 Prozent). Ebenso bei der Sitzverteilung (2006: 7 Sitze, 2008: 21 Sitze).

Damit war Jörg Haider wieder hoffähig, war, seit seinem Abgang 2005 bei der FPÖ, sozusagen wieder da. Erneut hatte er bewiesen, dass er Wählerpotentiale fast gar magisch summieren konnte. Diese Zauberkunst hatte er schon einmal bewiesen, als er die Freiheitliche Partei (FPÖ) von fünf Prozent auf sage und schreibe 27 Prozent geführt hatte und diese (1999) zur drittstärksten Partei in der Alpenrepublik geworden war. Und nun war ihm mit dem jungen BZÖ erneut ein solcher „Husarenstreich“ gelungen.

Haider war nun bereit es allen seinen Kritikern zu zeigen, darauf lauernd die Fehler der Konkurrenten, wie er es bereits im Wahlkampf gemacht hatte, nicht nur auszuschlachten, sprich die politischen Gegner klipp und klar zu benennen, sondern sie auch für die Missstände verantwortlich zu machen.

Sie alle erinnerten sich sicher an seine Worte, als er von der „Überwindung der freiheitsfeindlichen Elemente eines ständestaatlichen Systems und die Entmachtung der herrschenden politischen Klasse durch Beseitigung ihrer Pfründe, Privilegien und demokratisch nicht legitimierten Machtinstrumente“ sprach, von einer „Kulturrevolution mit demokratischen Mitteln“, davon, dass „wir…die herrschende politische Klasse und die intellektuelle Kaste stürzen“ wollen.

Nach der Nationalratswahl 2008 blieb die SPÖ mit 29,3 % die stärkste Partei (2006: 35,3 %); es folgte die ÖVP mit 26 % (34,3 %), die FPÖ mit 17,5 % (11,04 %), das BZÖ mit 10,7 % (4,1 %) und dann die Grünen mit 10,4 % (11,4 %).

Die FPÖ und das BZÖ waren eindeutig die Sieger dieser Wahl. SPÖ, ÖVP und die Grünen hatten teilweise horrende Verluste zu beklagen. Damit war klar, dass das österreichische Volk gegen die bislang regierende Große Koalition (SPÖ/ÖVP) gestimmt hatte.

„Es ist noch immer eine große Anzahl von Wählern, die wir zurückgewinnen müssen“, bekannte Werner Faymann (SPÖ) deshalb bitter am Wahlabend. Und genau so war es: allein die Sozialdemokraten hatten rund 78.000 Wähler an das BZÖ verloren (und 181.000 an die FPÖ).

„Es ist das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der österreichischen Volkspartei“, musste auch Wilhelm Molterer (ÖVP) zugeben. Schließlich blieb ihm auch gar nichts anderes übrig. „Das ist eine schmerzliche Niederlage. Beide Regierungsparteien haben verloren.“ Die Volkspartei hatte gleich 152.000 Wähler an das „Bündnis Zukunft Österreich“ abgeben müssen (88.000 an die FPÖ).

(Ex-)Freimaurer Alexander van der Bellen von den Grünen, der sich heuer gar zum Bundespräsidenten der Alpenrepublik aufschwingen will, sofern er bei der dementsprechenden Wahlwiederholung im Oktober 2016 gewählt wird, räumte ein: „Vielleicht ist das Potential für eine gesellschaftspolitische liberale grüne Partei in Österreich nicht größer, als es eben ist.“

Heinz-Christian Strache von der FPÖ erklärte: „Wir haben nicht nur alle Wahlziele klar erreicht, sondern bei weitem übersprungen.“

Und Jörg Haider vom BZÖ sagte unmissverständlich: „Rot-Schwarz ist abgewählt. Wir müssen jetzt die Bereitschaft haben, Verantwortung zu tragen, uns bemühen, mit anderen Parteien ins Gespräch zu kommen, um dauerhafte, stabile Verhältnisse für Österreich zu ermöglichen.“

Ein Foto am Abend nach der Wahl zeigt die vier Parteichefs nebeneinander stehend: die geschlagenen Werner Faymann und Wilhelm Molterer mit betretenen Gesichtern; die siegreichen Haider und Strache, lächelnd und mit erhobenem Daumen.

Die Große Koalition wurde also genauso „gebrochen“ wie die Verfassungsmehrheit von SPÖ und ÖVP im Parlament, die bei zwei Drittel der Mandate lag.

Haider hatte schon im Vorfeld der Großen Koalition angekündigt, dass diese Nationalratswahl eine „Zeit der Abrechnung“ werden würde, wollte die Österreicher gar von dieser „erlösen“, denn „Wahltag ist Zahltag“.

SPÖ und ÖVP hätten zwei Jahre lang nichts gegen die Teuerung getan. „Das ist die schlechteste Regierung, die wir seit 1945 je gehabt haben. Wer kein Gefühl für das eigene Volk hat, der darf sich nicht wundern, wenn die Wählerinnen und Wähler die eigene Regierung in die Wüste schicken.“

Das BZÖ, deren Parteifarbe orange ist, wurde einst mit Bienen verglichen und so hätten die Bienen die Fähigkeit, „den Staat so zu gestalten, dass sie immer dann, wenn zu viele Drohnen da sind, sich der Drohnen entledigen“, drohte Haider dem bisherigen Regierungsestablishment offen.

Das war eindeutig und verstand nicht nur der Wähler, der dies schließlich honorierte, sondern auch der politische Gegner. Schon vor den Wahlen wusste der, dass dies nichts Gutes bedeuten und nur Unheil bringen würde, wenn Haider in der Wählergunst dazu gewinnen konnte. Dass er schließlich einen solchen Erfolg verzeichnete, hätte wohl keiner von ihnen in seinen schrecklichsten Alpträumen erwartet.

Nun aber war es soweit: nach den Wahlen war Haider ein stärkerer Widersacher als je zuvor, der alles daran setzen würde, den „verstaubten“ Parteienstall der Großen Koalition „auszumisten“ und die BZÖ-Ansprüche zusammen mit FPÖ-Strache geltend zu machen.

Nicht nur dass mit der Nationalratswahl 2008 die Große Koalition offenbar ein Ende hatte, es bestand zudem die Möglichkeit einer „Verbrüderung“ zwischen der FPÖ und dem BZÖ. Beide Parteien wären dann mit insgesamt 55 Parlamentssitzen fast gleich stark wie die SPÖ (57 Sitze) und stärker als die ÖVP (51 Sitze) und könnten die Grünen (20 Sitze) ins fast unbedeutende Aus schmettern. Kritiker sprachen von einem „Rechtsblock“ von fast 30 Prozent. Aus Sicht der herkömmlichen Parteien gewiss eine Katastrophe.

Dann wurde über eine eventuelle Koalition mit der ÖVP, dem BZÖ und der FPÖ gemunkelt. Schließlich soll der einstige ÖVP-Kanzler, Wolfgang Schüssel, der 2000 mit Haider in eine Koalition ging, auch bei der Gründung des BZÖ mitgewirkt haben, beziehungsweise eingebunden worden sein. Haider war nicht dagegen. Auch wenn er und Strache sich im Wahlkampf als Konkurrenten gegeben hatten und der FPÖ-Chef dem Kärntner Landeshauptmann vorwarf, die Freiheitlichen (durch die Gründung des BZÖ) „verraten und verkauft“ zu haben. Strache schloss eine Zusammenarbeit nach der Wahl aus, während Haider meinte, das würde sich in nächster Zeit geben. „Die Presse“ berichtete: „Er (Haider/d.A.) hat nun Strache umstimmen können, mit dem BZÖ gemeinsame Politik zu machen. Zwei Parteien, aber ‚eine verbesserte Gemeinsamkeit im Parlament’…“

Am 2. Oktober 2008, neun Tage vor seinem Tod, gab Haider Nina Horaczek und Claudia Reiterer für ihr Buch HC Strache – Sein Aufstieg, seine Hintermänner, seine Feinde ein Interview, in dem er – angesprochen auf eine Kooperation zwischen FPÖ und BZÖ – klar und deutlich sagte: „Auf der Ebene einer Koalition gibt es halt zwei Parteien, die sich leichter auf ein Regierungsprogramm einigen, weil sie in vielen Bereichen identere Vorstellungen haben. Auf der parlamentarischen Ebene natürlich auch, dass es ein schrittweises Annähern gibt oder es Kooperationsvereinbarungen gegen kann. Dass man gemeinsam die Stärke, die man hat, auch zum Ausdruck bringt, um leichter Mehrheiten zu ermöglichen…“

So also wurde auf politischer Ebene den beiden siegreichen Parteiführern wohl alles zugetraut, um die Macht der Rot-Schwarzen Dominanz endgültig zu brechen.

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