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Notstandsverfassung

Deutschland
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Verteidigungsfall, Spannungsfall, Katastrophenfall die verfassungsrechtlichen Regeln, nach denen die Staatsorgane zur Abwehr besonderer Notlagen ermächtigt werden. Die N. wird durch einfache Notstandsgesetze (insbesondere Gesetze zum Zivilschutz, die Sicherstellungsgesetze, Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses) näher ausgestaltet. Das GG enthält Regelungen für den äußeren Notstand (Verteidigungs- und Spannungsfall) und den inneren Notstand (innere Unruhen und Naturkatastrophen). Ein Ausnahmezustand ist dem GG fremd.

Äußerer Notstand

Der Verteidigungsfall kann vom Bundestag mit Zweidrittelmehrheit festgestellt werden, wenn das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht; die Feststellung erfolgt auf Antrag der Bundesregierung, bedarf der Zustimmung des Bundesrats und ist vom Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt zu verkünden (Art. 115 a GG). In Ausnahmefällen, d. h. bei unüberwindlichen Hindernissen oder Beschlussunfähigkeit des Bundestags, kann die Feststellung vom gemeinsamen Ausschuss getroffen werden. Während des Verteidigungsfalls sind die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes erweitert und das Gesetzgebungsverfahren vereinfacht; die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte geht auf den Bundeskanzler über, die Bundesregierung kann Einheiten der Bundespolizei im ganzen Bundesgebiet einsetzen und Landesorganen Weisungen erteilen. Außerdem können in Einschränkung der Berufsfreiheit Wehrpflichtige und Frauen im Alter von 18 bis 55 Jahren zu Dienstleistungen herangezogen werden (Art. 12 a Abs. 3–6 GG). Vor Eintritt des Verteidigungsfalls kann der Bundestag den Spannungsfall feststellen; damit werden die Gesetze zur Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft und zur Sicherstellung der Versorgung von Streitkräften und der Zivilbevölkerung angewendet (Art. 80 a GG).

Zur Kontrolle der Exekutive in Kriegszeiten ist u. a. vorgesehen, dass Bundestag und Landtage ihre Tätigkeit nicht aufgrund von Neuwahlen unterbrechen. Der Bundestag darf nicht aufgelöst werden, die Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts ist zu erhalten. Mit Zustimmung des Bundesrats kann der Bundestag den Verteidigungsfall jederzeit für beendet erklären.

Innerer Notstand

Beim inneren Notstand handelt es sich um die Abwehr drohender Gefahren für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines der Länder, die von innen her drohen (Art. 91 GG). Es kann hierbei auch um die Abwehr der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung gehen (Art. 35 Abs. 2 GG). Die Abwehr derartiger Gefährdungen ist in erster Linie Sache der Länder. Das betroffene Land kann zu diesem Zweck u. a. Polizeikräfte anderer Länder und Bundespolizeieinheiten anfordern. Das Recht auf Freizügigkeit kann eingeschränkt werden. – Ist das Land nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage, kann die Bundesregierung seine Polizei und zusätzlich Polizeikräfte anderer Länder ihren Weisungen unterstellen sowie Einheiten des Bundespolizei einsetzen. Erstreckt sich die Gefahr über ein Land hinaus, kann sie den betroffenen Landesregierungen Weisungen erteilen (Art. 91 Abs. 2 GG). Sie darf erforderlichenfalls auch die Bundeswehr zum Schutz ziviler Objekte und gegen organisierte und militärisch bewaffnete Aufständische einsetzen (Art. 87 a Abs. 4 GG). Der Einsatz von Streitkräften ist jedoch einzustellen, wenn Bundestag oder Bundesrat es verlangen.

Ähnliche Regelungen wie im inneren Notstand gelten im Katastrophenfall bei Eintritt einer Naturkatastrophe oder eines besonders schweren Unglücksfalls (Art. 35 Abs. 2 und 3 GG).

Im Zuge der Verabschiedung der N. wurde das Widerstandsrecht in das GG aufgenommen (Art. 20 Abs. 4).

Quelle: Duden Recht A-Z. Fachlexikon für Studium, Ausbildung und Beruf. 3. Aufl. Berlin: Bibliographisches Institut 2015. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.

"Die Notstandsgesetze wurden am 30. Mai 1968, in der Zeit der ersten Großen Koalition, vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Dies wurde von massiven Protesten der so genannten außerparlamentarischen Opposition („APO“) begleitet. Die Notstandsgesetze änderten das Grundgesetz zum 17. Mal und fügten eine Notstandsverfassung ein, welche die Handlungsfähigkeit des Staates in Krisensituationen (Naturkatastrophe, Aufstand, Krieg) sichern soll.

Bild: Pixabay

In der Bevölkerung breitete sich damals die Sorge aus, die Notstandsgesetze bedeuteten ein neues Ermächtigungsgesetz. Gewerkschaften, FDP, das Kuratorium „Notstand der Demokratie“ und besonders die Westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre mit SDS und LSD opponierten gegen die Pläne.

Laut Notstandsverfassung greifen im „Spannungsfall“ die Notstandsgesetze. So war ja die Beschlagnahmung von Eigentum zur Unterbringung der Flüchtlinge bereits Thema. Da freuten sich manche: Bei mir ist nichts zu holen!

Oh doch, denn sollte der NOTSTAND ausgerufen werden, so ermöglicht dieser Maßnahmen über Lebensmittel- und Energierationierung, die Zwangsverpflichtung der Zivilbevölkerung zum Arbeitsdienst, die Beschlagnahme („Requirierung“) von Vermögensgegenständen durch staatliche Stellen oder die bevorrechtigte Belieferung des Staates mit Gütern und Leistungen." Quelle: Neonpresse