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Oswald Speng­ler - Auto­ri­täre Anti-Aufklärung und der Mythos vom kul­tu­rel­len Unter­gang des Abendlandes

Gesellschaft
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Oswald Speng­ler war einer der mar­kan­tes­ten Ver­tre­ter der „Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­tion“. Dieser Aufsatz fragt kri­tisch nach dem Gehalt und der Pro­ble­ma­tik seines Denkens aus der Per­spek­tive seiner Wirkung und gegen­wär­ti­gen Bedeutung.
Mit seinem Haupt­werk „Der Unter­gang des Abend­lan­des“ und seinen poli­ti­schen Schrif­ten hatte Speng­ler prä­gen­den Ein­fluss auf die intel­lek­tu­el­len kul­tur­pes­si­mis­ti­schen und anti-demo­kra­ti­schen Dis­kurse und Ideen der Wei­ma­rer Repu­blik. Er beför­derte die Sehn­sucht nach einem neuen auto­ri­tä­ren Zeit­al­ter – einem neuen Cäsa­ren­tum und preu­ßisch-auto­ri­tä­ren Natio­na­lis­mus. Speng­lers Werk ver­sucht sich an einer all­um­fas­sen­den, zykli­schen Geschichts­phi­lo­so­phie auf kul­tur­mor­pho­lo­gi­scher Grund­lage, welche das orga­ni­sche Leben und Abster­ben von Kul­tu­ren zu indi­vi­du­el­len Lebens­pro­zes­sen analogisiert.
 
Seinem Werk sprach Speng­ler selbst pro­phe­ti­sche Kraft zu. Sowohl die fata­lis­tisch-apo­ka­lyp­ti­sche Grun­die­rung der These vom – nach Speng­ler unver­meid­li­chen – Unter­gang des Abend­lan­des sowie zudem vor allem die mythi­sche Ver­göt­zung homo­ge­ner, her­me­tisch-essen­tia­lis­tisch von­ein­an­der abge­grenz­ter und sich fremder natio­na­ler Kul­tur­see­len als über­in­di­vi­du­elle Sub­jekte geschicht­li­cher Ent­wick­lun­gen fanden breite Reso­nanz in der frühen Wei­ma­rer Repu­blik, aber auch über die deut­sche Gesell­schaft hinaus.
 
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Theodor W. Adorno kri­ti­sierte triftig Speng­lers anti-auf­klä­re­ri­sche Ver­klä­rung der Geschichte zur Natur, die von kos­mi­schen See­len­tü­mern bestimmt sei, wobei Speng­ler die „Phi­lo­so­phie zur Astro­lo­gie“ ernied­rige, um schließ­lich einen neuen auto­ri­tä­ren Cäsa­ris­mus nicht nur zu pro­phe­zeien, sondern auch zu erseh­nen. Wie bei vielen Denkern der „Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­tion“ fluk­tu­ierte Speng­lers Rezep­tion, vom Höhe­punkt der Popu­la­ri­tät nach dem Erschei­nen des ersten Bandes des „Unter­gangs“ 1918 bis zur Gegen­wart. Derzeit zeigen sich Kon­tu­ren einer rela­ti­ven Speng­ler-Renais­sance im öffent­li­chen Raum, gestützt von intel­lek­tu­el­len Milieus sowie vom Zeit­geist einer wie­der­erstark­ten anti-libe­ra­len „Neuen Rechten“ und einer inter­na­tio­na­len auto­ri­tär-natio­na­lis­ti­schen Revolte.