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"DELEGITIMIERUNG" DER DEMOKRATIE - Ich bin der Staat, dein Gott

Deutschland
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In einem bemerkenswerten Interview offenbart ein führender Sozialdemokrat wohl eher unabsichtlich sein Selbstverständnis: die politische Klasse als quasi monopolistisches Unternehmen, das mit allen Mitteln seine Marktanteile verteidigt.

„Buzzword“ nennen die Angelsachsen einen Begriff, der sofort für besondere Aufmerksamkeit sorgt. So ein Buzzword ruft spontan starke Gefühle hervor.

Zum Beispiel: „Schulz-Zug“.

Wir erinnern uns: Martin Schulz hatte 2017 erst für das beste parteiinterne Wahlergebnis eines SPD-Vorsitzenden gesorgt: 100 Prozent. Wenig später sorgte er dann für das schlechteste Bundestagswahlergebnis eines SPD-Vorsitzenden: 20,5 Prozent. Ob es zwischen den Ergebnissen des sozialdemokratischen Führungspersonals bei Parteiwahlen einerseits und bei Volkswahlen andererseits womöglich eine negative Korrelation gibt, harrt noch der wissenschaftlichen Aufarbeitung.

Jedenfalls: Der Schulz-Zug entgleiste.

Der gelernte Buchhändler hat es in einer langen Polit-Karriere in verschiedenen Parlamenten zum Millionär auf Steuerzahlerkosten gebracht. Auch jetzt fiel er weich: Er wurde Vorsitzender der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung FES. Die bekam 2021 fast 190 Millionen Euro aus öffentlichen Kassen – und (zusammen mit anderen politischen Stiftungen) eine Rüge vom Bundesrechnungshof: unter anderem wegen insgesamt viel zu üppiger Zuwendungen an die Chefs, ominöser „Versorgungszuschläge“ und teurer Chauffeure.

Die FES mit ihren fast 1.600 Mitarbeitern ist der zentrale Thinktank der Sozialdemokratie. Martin Schulz ist ihr Chef. Entsprechend hat sein Wort im politischen Betrieb immer noch einiges Gewicht, in der SPD und darüber hinaus.

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Einem Nachrichtenportal aus der Berliner Blase hat Schulz jetzt ein großes Interview gegeben. Darin versucht er, für seine Vorstellung von Demokratie und Staat zu werben. Das misslingt spektakulär. Vor allem aber gewährt der frühere SPD-Kanzlerkandidat – nebenbei und wohl eher ungewollt – tiefe Einblicke in die Gedankenwelt der politischen Klasse, der er seit Jahrzehnten angehört.

Es ist eine verstörende Welt.

Weitgehend unbehelligt von kritischen Fragen des Interviewpartners, der sich erkennbar nur als Stichwortgeber versteht, reiht Schulz seine Aussagen aneinander. Dabei wird ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Ideengebäude sichtbar.

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