Was ist ein Leben wert? Ich werde erklären, wie man das berechnen kann und was dabei bedacht werden muss. Dann stelle ich zwei Modellrechnungen vor: Meinem eigenen Modell zufolge sind die staatlichen Gegenmaßnahmen zu Corona überzogen. Der Wert aller „geretteten“ Leben ist geringer, als die Kosten des Lockdowns.
Das andere Modell stammt von amerikanischen Ökonomen. Ihrer Berechnung zufolge ist der Wert der „geretteten“ Leben höher als die Kosten des Lockdowns. Folglich halten diese Ökonomen den Lockdown für angemessen. Im Vergleich beider Modelle können Sie für sich persönlich entscheiden, welche Reaktion auf Corona angemessen wäre.
Leben ist riskant, und Risiken kann man berechnen
Was haben kitschige Postkarten, überhebliche Bischöfe und kaltherzige Ökonomen gemeinsam? Sie alle messen einem individuellen Menschenleben einen unendlich hohen Wert bei! Man kann für ein Leben aber nicht unendlich viel opfern, denn dazu bräuchte es unendlich viele Ressourcen. Deshalb unterscheiden Ökonomen (im Gegensatz zu Postkarten und Bischöfen) zwischen dem individuellen und dem statistischen Lebenswert.
Der statistische Lebenswert lässt sich über die Risikobereitschaft von Menschen berechnen: Menschen sind bereit, gewisse Beträge auszugeben, um sich gegen Risiken abzusichern. Sie sind aber genauso bereit, Risiken einzugehen, um Geld zu verdienen oder einzusparen. Ökonomen werten diese Risikobereitschaft aus und berechnen so, welchen Wert Menschen ihrem Leben selbst beimessen.
Der amerikanische Ökonom William Viscusi illustriert dieses Vorgehen folgendermaßen: Man stelle sich ein Stadion mit 10.000 Menschen vor. Vielleicht schätzt jeder dieser Stadionbesucher seinen eigenen Lebenswert unendlich hoch ein. Nun teilt man ihnen mit, dass einer von ihnen sterben muss, sofern nicht alle eine gewisse Summe bezahlen. Das Risiko, selbst zu sterben, liegt für jeden Stadionbesucher bei 1 zu 10.000. Angenommen, die Besucher sind im Durchschnitt zu einer Zahlung von 300 Dollar bereit, um dieses Risiko von 1 zu 10.000 auf Null zu reduzieren. 10.000 Menschen mal 300 Dollar ergeben drei Millionen Dollar. Das wäre dann der statistische Lebenswert jedes Besuchers.
Solche Gedankenspiele wirken konstruierter, als sie sind. Beim Bau und beim Betrieb eines Stadions müssen der Bauherr und die Betreiber überlegen, wieviel sie für Sicherheitsvorkehrungen ausgeben wollen, und Politiker bestimmen, welche Richtlinien gelten. Es gibt Unfallrisiken (z. B. auf den Parkplätzen oder den Treppen), Massenpanikrisiken, Brandrisiken, Terrorismusrisiken und so weiter.
Man müsste so viel Geld ausgeben, um diese Risiken alle auf Null zu setzen, dass niemand mehr die hohen Eintrittspreise bezahlen wollte. Ein Stadion ohne jede Security, ohne Brandmelder und voller gefährlicher Stufen hätte auch nicht viele Besucher, selbst, wenn die Eintrittskarten fast umsonst wären. Menschen haben eine gewisse Risikobereitschaft und somit eine unbewusste Vorstellung davon, welchen statistischen Wert sie ihrem Leben beimessen.