24
Mo, Feb
0 New Articles

Tod eines Bäckers - Political Correctness

Gesellschaft
Typography
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Bundesarchiv Bild 102 14468 Berlin NS Boykott gegen jüdische Geschäfte

Hadmut 25.3.2016 12:59

Wie der political correctness-Krieg eskaliert und eine Bäckerei in den Ruin treibt.

Schon vor einer Woche wies mich ein Leser darauf hin, dass da am Leibniz-Gymnasium in Hackenbroich (gehört zu Dormagen, liegt zwischen Köln und Düsseldorf) so eine political correctness-Aktion abläuft: Die Schule kündigt einem Bäcker wegen dessen Facebook-Postings.

Genauer gesagt: Der Förderverein der Schule betreibt in der Schule eine Cafeteria für die Schüler. Und die bezieht Backwaren von einer kleinen alten Familienbäckerei, deren Chef und Inhaber eigentlich Tierarzt ist, aber aus Tradition die alte, 1882 gegründete Bäckerei seines Urgroßvaters weiter führt.

Eine Neuntklässlerin habe nun auf Facebook entdeckt, dass eben dieser Chef auf Facebook Aussagen gepostet habe wie “Wenn die Afrikaner uns überrennen, ist das anscheinend gut. Gut für die Ausrottung der eigenen Rasse. Der Suizid ist von mir nicht gewollt”. Genau kann man das nicht mehr feststellen, weil andere Aussagen nie greifbar dargestellt wurden, inzwischen aber – laut Presse – gelöscht wurden. Es ist also schwer, sich ein eigenes Bild zu machen, man soll mal wieder die moralischen Wertungen Politisierter einfach so unbesehen glauben und übernehmen. (Der einzige wörtlich zitierte Spruch, ich habe ihn oben wiedergegeben, ist nicht schön und hat eindeutig einen rechten Ton. Meines Erachtens – und ich habe mich lange und ausgiebig mit der Rechtsprechung und dem Verfassungsrecht zur Meinungsfreiheit beschäftigt, um mein Blog entsprechend auslegen und auch rechtlich verteidigen zu können – ist dieser Spruch voll und ganz von der Meinungsfreiheit gedeckt. Man muss ihn nicht mögen. Aber es ist ein eklatanter Unterschied, ob ein Spruch gegen geltendes Recht oder gegen den persönlichen Geschmack verstößt. Zudem ist nirgends die Rede von einer strafrechtlichen Verurteilung, und bis dahin gilt eigentlich eine Unschuldsvermutung.)

Die Schülerin habe sich an die Selbstverwaltung gewandt, diese habe darauf die Schülerin beauftragt, weiter zu recherchieren, was der Bäcker/Tierarzt so schreibt. (Ich beauftrage den Leser an dieser Stelle, sich selbst zu überlegen, ob er das für recherchieren im detektivischen oder für denunzieren im Blockwart-Sinne hält.) Darauf habe man das im SV-Plenum mit 60 Schülern diskutiert und als eindeutiges Ergebnis beim Förderverein beantragt, die Geschäftsbeziehung zu dem Bäcker zu beenden.

Eine Neuntklässlerin hatte bei Facebook die Aussagen Meusers gesehen. Sie schrieb daraufhin an die SV: “Ich finde, da wir eine Schule ohne Rassismus sind, sollten wir uns deutlich gegen Rassisten oder Rassistinnen zeigen und nichts von ihnen kaufen.” [...]

“Es wäre eine Doppelmoral gewesen”, sagt Constantin , einer von drei aktuellen Schülersprechern, “wenn wir diese Lieferung von jemanden akzeptieren, der Positionen vertritt, die nicht zu unserer Schule passen.”

Ich hatte die Story eigentlich schon auf dem Tisch, bevor sie in der großen Presse erschien, das war mir aber irgendwie etwas zu wackelig und unvollständig, weshalb ich mich entschieden hatte, erst mal selbst zu recherchieren und eine Presseanfrage und Dienstaufsichtsbeschwerde an die zuständige obere Schulaufsichtsbehörde zu stellen, nämlich die Bezirksregierung Düsseldorf, per Mail am 19.3., nachgehakt am 24.3. Eine Antwort habe ich bisher nicht bekommen. (Was mich jetzt nicht wirklich überrascht, denn die Bezirksregierung Düsseldorf ist mir als durchpolitisierter Willkürhaufen bekannt.)

Inzwischen macht die Sache die Runde in der große Presse: SPIEGEL berichtet darüber, FOCUS berichtet darüber, dass SPIEGEL darüber berichtet habe. Es wird berichtet, dass die Bäckerei aufgrund der Aktion noch einen weiteren Kunden verloren habe, und jetzt vor dem Ende steht, Arbeitsplätze verloren gehen.

Die Sache scheint zu eskalieren, denn inzwischen schaltet sich auch der Bürgermeister Erik Lierenfeld (SPD!) ein. (Wobei mich ja mal interessieren würde, ob sich die Politiker da erst nachträglich eingeschaltet haben, oder das nicht schon vorher gesteuert wurde. Mich würde mal interessieren, ob die Eltern dieser Neuntklässlerin da irgendwelche Aktien dran haben.)

Jedenfalls fliegen da jetzt die Nazi-Vorwürfe in beide Richtungen (was auch sonst, das ist ja der einzige Diskussionsstil den unsere Politik heute noch kennt, und offenbar auch der einzige, der an Schulen noch gelehrt wird). Die einen schimpfen den Bäcker als Nazi, die anderen die Schule wegen derer Nazi-Methoden, und ganz ehrlich, ich musste auch zuerst an deren „Kauft nicht bei...”-Taktik denken:

weiterlesen

Bild: Bundesarchiv_Bild_102-14468